Julian Assange stellte sich in London der Polizei

London. Nach wochenlangem Katz-und-Maus-Spiel hat sich WikiLeaks-Gründer Julian Assange in London der Polizei gestellt. Scotland Yard gab gestern die Verhaftung des 39-jährigen Australiers bekannt, ein Londoner Gericht entschied am Nachmittag, dass er vorläufig inhaftiert bleibt. Es wurde ein langer Rechtsstreit um die Auslieferung Assanges nach Schweden erwartet, wo gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt wird. Assange sei "gemäß einem europäischen Haftbefehl um 10.30 Uhr verhaftet worden", hieß es in der Mitteilung von Scotland Yard. Am Nachmittag entschied das City-of-Westminster-Gericht, dass Assange mindestens bis kommenden Dienstag in Haft bleibe. Eine Freilassung auf Kaution lehnte das Gericht ab: Mehrere Unterstützer, darunter Filmemacher Ken Loach hatten angeboten, die Kaution zu zahlen.

Die britische Justiz muss nun die Auslieferung Assanges nach Schweden prüfen. Die dortige Justiz ermittelt gegen ihn. Er soll von zwei Frauen ungeschützten Sex erzwungen haben. Dies wird in Schweden härter geahndet als in anderen Ländern. Die Verhaftung habe nichts mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente in den vergangenen Wochen zu tun. Assange weist die Anschuldigungen zurück und spricht von einer gezielten Kampagne, hinter der die US-Regierung stehe. Assange soll nun am 14. Dezember erneut vor dem Gericht in London erscheinen. Wann über eine Auslieferung nach Schweden entschieden werden könnte, war zunächst nicht bekannt. Er werde sich dagegen wehren, kündigte Assange an.

WikiLeaks gab sich indes kämpferisch. "Die heutige Aktion gegen unseren Chefredakteur Julian Assange wird unsere Arbeit nicht beeinträchtigen", kündigten die Aktivisten über den Online-Dienst Twitter an. Die nächste Veröffentlichung geheimer Dokumente des US-Außenministeriums werde sogar noch mehr Papiere als üblich enthalten. Die Enthüllungs-Plattform stellt seit gut einer Woche schrittweise Dokumente aus einer Sammlung von mehr als 250 000 vertraulichen Unterlagen des US-Außenministeriums ins Netz.

Präsident Barack Obama und andere amerikanische Spitzenpolitiker hatten immer wieder erklärt, die Veröffentlichung geheimer Protokolle über die Kriege im Irak und Afghanistan sowie Diplomaten-Depeschen gefährde Menschenleben und schade US-Interessen. Die USA begrüßten die Festnahme als "gute Nachricht". Nach der Veröffentlichung der US-Dokumente stieg der Druck auf WikiLeaks. Die Plattform verlor ihre Webadresse wikileaks.org, musste sich einen neuen IT-Dienstleister suchen, Finanzdienstleister wie PayPal, Mastercard und Visa wickeln keine Zahlungen mehr für sie ab. Eine zentrale Geldquelle der Aktivisten in Deutschland ist aber nicht in Gefahr. Die für die Wau-Holland-Stiftung zuständige Aufsichtsbehörde dementierte, dass die Stiftung als wichtigster Geldgeber vor dem Aus steht.

Die bayerische Staatskanzlei geht im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von WikiLeaks nun auch Berichten über einen angeblichen "Maulwurf" in ihren Reihen nach. In den Texten ist auch von angeblicher Illoyalität von Mitarbeitern der Staatskanzlei gegenüber Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Rede. Nach einer Interview-Äußerung Seehofers zum Afghanistan-Einsatz sollen sich Mitarbeiter bei einem Treffen mit dem US-Generalkonsul in Bayern beschämt über den Vorstoß Seehofers gezeigt haben.