Europäische Agrarreform sieht Einführung einer “gerechten Basiszahlung“ vor

Hamburg/Brüssel. Brüssel will die Landwirtschaftspolitik grüner und gerechter machen und geht damit auf Konfrontationskurs zu Berlin und Paris. Denn es geht nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um eine Menge Geld. Mit 56 Milliarden Euro sind die Fördertöpfe für die Landwirtschaft der größte Posten im EU-Haushalt. Deutsche Bauern bekamen davon im vergangenen Jahr etwa sieben Milliarden Euro. Doch diesen drohen nach den gestern vorgestellten Reformplänen Subventionseinbußen in Milliardenhöhe. "Die europäische Agrarpolitik muss nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch wettbewerbsfähig und glaubwürdig sein", sagte Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos. Er gab damit den Startschuss für den heißen Kampf um die Agrarreform.

Derzeit erhalten deutsche Bauern pro Hektar Anbaufläche 300 Euro, ihre französischen Kollegen 280 Euro. Die litauischen Landwirte werden mit 100 Euro pro Hektar abgefertigt. Brüssel empfiehlt nun die Einführung einer "gerechten Basiszahlung". Diese soll zwar nicht in allen Ländern identisch sein, aber jeder Bauer soll "einen Mindestanteil des EU-weiten Durchschnittsniveaus" erhalten. Neben einer Grundsicherung will die EU weitere Subventionen an Umweltkriterien binden. Dazu gehören extensive Tierhaltung, das Brachliegen von Flächen und wechselnde Bepflanzung. Ciolos Pläne sind die Grundlage für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und dem Europaparlament. Einen endgültigen Vorschlag wird die Kommission Mitte 2011 vorlegen.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner äußerte sich zurückhaltend. Die Vorstellungen der EU-Kommission müssten auch am Verwaltungsaufwand gemessen werden. "Unserer Natur ist nicht geholfen, wenn am Ende nur die Bürokratie blüht", erklärte die CSU-Politikerin. Dennoch unterstütze sie den Ansatz zur besseren Integration von Umweltzielen in die Agrarpolitik.

Widerstand kündigte sie aber gegen den Plan an, Direktzahlungen für große Landwirtschaftsbetriebe unter Berücksichtung der Zahl der Beschäftigten zu begrenzen. Dies könne Deutschland nicht mittragen. Die Bewirtschaftung nach hohen Standards müsse von allen Höfen erbracht werden, egal wie groß. Aigner warnte auch vor zu großen Zugeständnissen an osteuropäische Staaten. "Wir sind bereit, in begrenztem Umfang eine Angleichung zu akzeptieren, wehren uns aber gegen jeden Versuch der Gleichmacherei."

Verhalten reagierte der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. "Bisher sind die Vorschläge noch zu wenig konkret, um Kritik oder Lob zu äußern. Positiv ist auf jeden Fall, dass alle Akteure in den Reformprozess eingebunden werden", sagte Romuald Schaber dem Abendblatt. "Wichtig ist uns, dass die Zahlungen der EU eine Ergänzung zum Einkommen der Bauern bleiben müssen. Der Großteil des Einkommens der Landwirte muss weiter über den Markt geregelt werden."

Bei Umwelt- und Verbraucherschützern sowie naturnah wirtschaftenden Bauernhöfen und Agrarbetrieben stößt der rumänische Kommissar Ciolos mit seinen Vorschlägen auf Zustimmung. Greenpeace nannte die Pläne von Ciolos indes wegweisend. Auch Aigner boykottiere ernsthafte Bemühungen für eine umweltfreundliche Agrarpolitik, obwohl die deutsche Landwirtschaft mehr Klimagase produziere als der nationale Pkw-Verkehr.

Der Naturschutzbund Nabu forderte Aigner auf, sie solle "ihre Blockadehaltung" aufgeben. Der tendenziell für eine technisierte und groß strukturierte Landwirtschaft sprechende Deutsche Bauernverband (DBV) übte scharfe Kritik an den Reformvorschlägen. DBV-Präsident Gerd Sonnleitner forderte einen "besseren Gleichklang" zwischen marktorientierter Landwirtschaft und Umwelt- und Klimaschutz. Die neuen Vorschläge brächten den deutschen Bauern "mehr Rückschritt als Fortschritt".