Außenminister fordert bei seinem Besuch im Gazastreifen ein Ende der Abriegelung des Palästinensergebiets

Gaza. Auf seinem Passfoto trägt der Außenminister keine Brille. Der Grenzer der Hamas hält in der linken Hand die Fotokopie von Guido Westerwelles Reisdokument, mit der rechten kratzt er seinen dichten, schwarzen Bart. Esel trotten über die löchrige Straße nach Gaza, die kaum bereit scheint für das Tempo, in dem hier gleich die Geländewagen der deutschen Delegation vorbeibrausen werden. Aber es muss gehen. Westerwelle will für keinen einzigen Vertreter der radikalen Regierung anhalten, die Israel das Existenzrecht abspricht.

Der erste Besuch eines deutschen Außenministers beim Erzfeind Israels, seit der Gazastreifen vor drei Jahren abriegelt wurde, soll wirken wie eine Fahrt ins politische Vakuum. Allerdings, so scheint es, geschieht das alles nicht ohne verbindliche Anmeldung. Ruhig ist es jedenfalls an diesem Tag in Gaza, über ihr Blatt "Palestine Today" hatte die Hamas die Visite vorab als "respektabel" bezeichnet. Und der FDP-Politiker fordert prompt freien Warenverkehr für das abgeriegelte Gebiet. "Es ist inakzeptabel, 1,5 Millionen Menschen zu blockieren", sagte der Außenminister, der seinen Besuch als Signal verstanden wissen will, "dass wir die Menschen in Gaza nicht vergessen und nicht vergessen können". Stärkere Wirtschaft helfe, den Einfluss der Radikalen zu schwächen.

In der Sonne brennt zerbombter Beton, der in Gaza so selbstverständlich herumliegt wie Hausmüll. Doch hinter dem Tor, auf dem eine Comic-Ente lacht, ist der Boden gefegt. Hier, auf dem Hof einer Grundschule der Vereinten Nationen, steigt Westerwelle aus seinem gepanzerten Auto. "Bildung liegt uns ganz besonders am Herzen", sagt er später. Die Schüler kennen solche Besuche. Gerade erst sei der finnische Außenminister dagewesen, erzählt die Schulleiterin. Sie trägt Kopftuch, anders als viele der Mädchen hier. "Toleranz" steht in bunten Lettern an der Klassentür. 600 Schüler besuchen diese Schule, das trifft nicht immer auf Zustimmung der Hamas. Religion ist nicht Mittelpunkt der Uno-Einrichtungen in Gaza. Als sich dort im Sommer mehr Kinder für Ferienaktivitäten angemeldet hatten als für die Koran-Camps der Hamas, brannten die Zelte der Uno. "Kannst du was vorlesen?", fragt Westerwelle. Eine Schülerin in gestreifter Schuluniform trägt ihren Aufsatz vor, auf Arabisch, bis der Besucher sagt, das habe sie "ganz super" gemacht, ein "grüßt eure Eltern" in die Klasse winkt und wieder im klimatisierten Auto verschwindet. Mit einem Gastgeschenk in der Tasche: eine Mickey-Mouse-Uhr. Die amerikanische Figur ist offenbar beliebt, sie steht in vielen Straßenläden, neben Barbie-Puppen mit Kopftuch.

Es liegt in der Luft. Schon auf der Straße, die am Strand von Gaza vorbeiführt, vorbei an Plakaten mit Gotteskriegern, ist zu riechen, was sich verbessern soll. Gaza stinkt vielerorts nach Kloake. Das Klärwerk schafft höchstens die Hälfte der Abwässer. Der Rest versickert im Boden oder fließt ins Meer. In der nahen israelischen Stadt Ashkelon kommen nicht nur die Raketen islamischer Fanatiker an, sondern auch palästinensische Exkremente.

Das hat die israelische Regierung bisher aber nicht recht gestört. Die deutsche KfW-Bank hat längst 20 Millionen Euro bereitgestellt, die in ein erweitertes Klärwerk fließen sollen. Aber bis Israel im Sommer die Import-Bestimmungen für Baumaterialien in den Gazastreifen etwas gelockert hat, konnte mit den Arbeiten nicht begonnen werden.

Laut Bank sei nun immerhin ein Zehntel des Zements angekommen, der in den kommenden sechs Monaten verbaut werden soll. Und so steht der Außenminister vor dem Klärwerkbüro, dessen Fenster zertrümmert sind, hält seine Nase in den Wind, schaut auf die schäumende Kloake in den Becken und nimmt das ins Auge, was er als "Durchbruch" bezeichnet: Das Klärwerk werde nun zügig erweitert, bestätigte auch Israels Außenminister Avigdor Lieberman tags zuvor. Für Westerwelles Idee, den Gazastreifen für Exporte zu öffnen, hatte der rechte israelische Politiker allerdings eher ein Schmunzeln übrig: Wer denn Produkte aus Gaza kaufen wolle, und welche überhaupt, fragte er. Nicht nur auf neue Klärwerke hofft Westerwelle. Erdbeeren könnten der zaghafte Beginn eines neuen Außenhandels sein. Die wachsen immerhin in Gaza.

Die Fahrzeugkolonne des Ministers braust zurück über die löchrigen Straßen. Vorbei an den vielen Hinterhöfen, von denen niemand weiß, was dort passiert. Irgendwo dort ist der israelische Soldat Gilad Schalit gefangen, den die Hamas vor mehr als vier Jahren entführt hat. Westerwelle fordert, ihn freizulassen. Deutschland beteiligt sich an den Verhandlungen. "Details nenne ich nicht", sagt er. Offiziellen Kontakt zur Hamas gibt es eben nicht.