Griechenlands Premier verbindet Zustimmung zu Sparprogramm mit seinem Schicksal

Athen. Nach fast einem Jahr Sparkurs haben die griechischen Wahlbürger an diesem Sonntag zum ersten Mal Gelegenheit, ihrem Unmut oder ihrer Zustimmung an den Urnen Ausdruck zu verleihen. Sie können sogar die Regierung stürzen: Ministerpräsident George Papandreou lud sogar dazu ein, indem er drohte, wenn die Wahlergebnisse keine Mehrheit für seine Sozialistische Partei bringen, werde er vorgezogene Parlamentswahlen ausschreiben. Die konservative Oppositionspartei Neue Demokratie bezeichnete das als "Erpressung der Wähler". Gewählt wird in zwei Runden, die Stichwahl ist für den 14. November geplant.

Vordergründig könnte ein "Wahlsieger" die wachsende Bewegung der "Nichtwähler" werden. Immer mehr Griechen wenden der Politik den Rücken zu, enttäuscht von den beiden Volksparteien und extremen Alternativen. Aber wer leere oder ungültige Stimmzettel abgibt - das sind Umfragen zufolge zehn Prozent der Wähler -, der stimmt de facto für die Mehrheitspartei, denn in Griechenland werden leere oder ungültige Stimmzettel als Votum für den Kandidaten mit den meisten Stimmen gezählt.

Es gibt keine verlässlichen Prognosen, zumal es Wahlen in dieser Form noch nie gegeben hat. Eine Verwaltungsreform, die Tausende überflüssige Staatsbeamte einsparen sollte, legte zahlreiche Gemeinden und Regionen zusammen. Die so entstandene Super-Region Athen stellt die Hälfte der griechischen Bevölkerung dar - dort sehen die Umfragen einen Sieg des konservativen Bürgermeisters von Athen voraus, Nikitas Kaklamanis. Landesweit liegen die geschwächte, aber noch führende Regierungspartei Pasok und ihre Verbündeten vorn. Sie kommen auf 30 bis 40 Prozent. Ganz klar ist dies nicht darstellbar - zur Wahl stehen meist lokale Bündnisse, die jeweils von mehreren Parteien unterstützt werden.

Neuland ist die Wahl aber vor allem aus dem Grund, dass noch nie zuvor das Wahlvolk so zur Ader gelassen wurde wie in jüngster Zeit . Weitere harte Einschnitte stehen bevor, um den aufgeblähten Sozialstaat zu schrumpfen und Griechenlands Schuldenberg abzubauen. Die Folgen, die in dieser Form niemand vorhergesehen hatte, sind dramatisch. Nach Angaben des Analysten Alexis Mantheakis schickt sich die Regierung an, 100 000 Privathäuser und Wohnungen zu konfiszieren, weil deren Besitzer die neuen Immobiliensteuern nicht bezahlt haben. Mantheakis zufolge könne außerdem ein Drittel aller Griechen ihre Stromrechnungen nicht bezahlen, weil der Staat die Einkommen und Renten vieler Bürger beschnitten hat. Zugleich verweigere die Stromgesellschaft Ratenzahlungen.

Was solche Entwicklungen für die Stimmung der Wähler bedeuten, das könnte sich in einer Überraschung an den Urnen niederschlagen. Wie Kommentator George Lakopoulos von der Zeitung "Ta Nea" schrieb: "Es kann sein, dass das Wahlverhalten einem kollektiven Nervenzusammenbruch gleichen wird." Linksextreme haben in den vergangenen Tagen mit einer ganzen Serie von Paketbomben Terror verbreitet.

Nur, es gibt eigentlich keine wählbaren Alternativen - zur Wahl stehen neben den historisch korrupten Volksparteien nur Kommunisten, "revolutionäre Linke", und die orthodox-nationalistische LAOS. Nach der zweiten Runde am 14. November werden sich die Ereignisse überschlagen. Einen Tag darauf wird Eurostat die neuen Werte für die griechischen Staatsschulden im Zeitraum 2006 bis 2009 bekannt geben. An diesem Tag wird auch die EU-"Troika" in Athen erwartet. Am 18. November wird das neue Staatsbudget für 2011 bekannt gegeben. Und dann dürfte man auch erfahren, ob Papandreous Androhung von Neuwahlen ein Bluff war, oder ob - wohl am 12. Dezember - tatsächlich Parlamentswahlen kommen. Das würde dann zusammenfallen mit der Überweisung der dritten Tranche der Not-Kredite von EU und IMF.

Auf jeden Fall braucht die Regierung nach Meinung der meisten Beobachter eine eindeutige demokratische Legitimierung, wenn sie den eingeschlagenen, sehr schmerzhaften Kurs standhaft fortführen will.