Präsident Tschetscheniens gab vor, alles zu kontrollieren. Jetzt haben Rebellen Parlament und Ministerium in Grosny angegriffen

Moskau. Es war eine Demütigung für den tschetschenischen Herrscher Ramsan Kadyrow. Eine blutige Demütigung. Am Dienstagmorgen gelang es einer Gruppe von Selbstmordattentätern nicht nur, ins Zentrum der tschetschenischen Hauptstadt Grosny einzudringen - sie rückten zum Parlament vor und griffen an. Drei Menschen töteten sie, 17 wurden verletzt, bis Sicherheitskräfte einige der Angreifer erschießen konnten und die verbliebenen sich in die Luft sprengten. Es war ein Signal dafür, dass es den muslimischen Rebellen gegen Moskaus Statthalter immer noch möglich ist, mitten im Zentrum der Macht Chaos zu stiften. Es war auch ein Signal dafür, dass der südwestlichste Ausläufer des russischen Reiches auch künftig nicht zur Ruhe kommen wird.

Doch die Einzelheiten über das Geschehen sind noch immer unklar. Eine Journalistin aus Grosny berichtete unter Berufung auf einen tschetschenischen Abgeordneten, drei Rebellen seien mit einem einfachen Taxi am Haupteingang des gut gesicherten Parlaments vorgefahren. Der Komplex wird durch eine hohe Mauer geschützt, der Einlass erfolgt durch einen engen, von Milizionären bewachten Gang.

Die Männer hätten Armeeuniformen getragen und einer von ihnen habe zur Wache gesagt, sie kämen zu einer "Überprüfung". Als einer der Sicherheitsleute zu neugierig nachfragte, hätten ihn die Angreifer erschossen und seien dann auf das Gelände vorgedrungen. Berichten russischer Nachrichtenagenturen zufolge soll es sich indes um vier bis fünf Täter gehandelt haben, die in den Teil des Parlamentsgebäudes eindrangen, in dem sich auch das Landwirtschaftsministerium befindet. Sie hätten zwei Sicherheitskräfte getötet und einen Zivilisten.

Der Sicherheitsdienst von Präsident Ramsan Kadyrow reagierte sehr schnell. Schon nach etwa zwanzig Minuten war alles vorbei und die Terroristen tot. Unklar ist, welche Gruppierung für den Anschlag verantwortlich ist. Der bisherige Anführer der Rebellen, der selbst ernannte "Emir des Kaukasus", Doku Umarow, war von seinen bisherigen Mitstreitern nicht mehr akzeptiert worden. Anfang Oktober war es zu einem endgültigen Bruch gekommen. Die Kommandeure weigerten sich, den Eid auf den islamischen Eiferer abzulegen, und wählten stattdessen Hussein Gakajew zum Anführer.

Gakajew hatte im Sommer auf sich aufmerksam gemacht, als seine Anhänger den Heimatort Kadyrows, Zentoroi, angriffen und dort ein Blutbad anrichteten. Bei dem schwersten Gefecht des Jahres waren sechs Milizionäre und zwölf Angreifer ums Leben gekommen. Kadyrow setzte umgehend eine Belohnung von umgerechnet 240 000 Euro auf den Kopf von Gakajew aus. Die Gründe für den Zwist im Lager des Widerstandes sind nicht ganz klar. Auf Websites der Untergrundkämpfer wurde Umarow dafür kritisiert, dass er Anschläge wie jenen auf die Moskauer Metro im vergangenen Jahr wiederholen wolle. Gakajew hingegen lehnt angeblich Terror gegen die Zivilbevölkerung ab und will "lediglich" Vertreter der Staatsmacht töten.

Zudem beschuldigte Gakajew seinen Widersacher Umarow, er zeige kein Interesse für die tatsächlichen Probleme der Tschetschenen, sondern lasse sich in seinen Handlungen "von anderen Leuten" leiten. Damit spielte er offenbar darauf an, dass auch Vertreter von al-Qaida und den Taliban im Nordkaukasus ihre Hand im Spiel haben.

Für Kadyrow, der sich gerne als Sicherheitsgarant im Kaukasus aufspielt, war der Sturm auf das Parlament zweifellos eine Niederlage. Zwar lobte Russlands Innenminister Raschid Nurgalijew, der sich am Tag des Überfalls gerade in Grosny aufhielt, das tschetschenische Innenministerium habe "professionell und klug" gehandelt. Solche Tage seien untypisch für Tschetschenien, vielmehr sei die nordkaukasische Republik "stabil und sicher". Dennoch: Kadyrow war in den letzten Jahren nicht müde geworden, das Ende des Terrors zu verkünden. Auch wenn die Geheimdienste von knapp 500 "Bojewiki" in Tschetschenien sprächen, vermute er nur noch 70. "Und mit denen hat es in den nächsten Monaten ein Ende."

Inzwischen ist der Untergrundkampf in Inguschetien, Kabardino-Balkarien, vor allem in Dagestan, aber eben auch in Tschetschenien so heftig wie seit Jahren nicht. Im Nordkaukasus gab es in diesem Jahr bisher 540 Terroranschläge. Im September sah sich Kadyrow gezwungen, seine Mannen erneut zu einer groß angelegten Militäroperation in die Berge auszusenden. "Diese Zieselmäuse muss man aus ihren Höhlen zerren", forderte er. Jetzt schlugen die Störenfriede brutal zurück.