Militäreinheit US Cyber Command soll digitale Angriffe abwehren, ist aber längst nicht einsatzfähig

Washington. Computerexperten nannten es schlicht den "digitalen Erstschlag". Den Kriegsjargon wählten sie nicht zufällig, als vor wenigen Wochen die Hackerattacke auf eine iranische Atomanlage mit dem Stuxnet-Virus bekannt wurde. Denn der Angriff führte Regierungen weltweit vor Augen, was Fachleute lange prophezeiten: Das Web wird zum neuen militärischen Schlachtfeld.

Besonders in den USA verfolgte man die zielgenaue Verbreitung des raffiniert programmierten PC-Schädlings mit Sorge. Zwar schuf das Militär mit dem US Cyber Command ein Spezialkommando, das bald auch digitale Attacken etwa auf das amerikanische Strom- und Handynetz oder das Bankensystem abwehren soll. Doch auch ein halbes Jahr nach ihrem Start ist die Einheit weder voll einsatzbereit noch wirklich schlagkräftig.

Dabei drängt die Zeit. Allein beim US-Militär wollen 15 000 Netzwerke und sieben Millionen Rechner rund um die Uhr beschützt werden. Etwa 250 000-mal pro Stunde stellen Angreifer die Systeme auf die Probe. Gut 100 Geheimdienste suchen ständig nach Schlupflöchern in sensiblen US-Netzen. Die Schreckensszenarien reichen über klassische Angriffe hinaus. Hacker könnten Blaupausen für Waffensysteme stehlen oder ganze Kriegsoperationen stören. "Informationstechnologie ist Voraussetzung für fast alles, was das US-Militär macht", sagt der stellvertretende Pentagonchef William Lynn.

Lange habe das Militär die technische Entwicklung verpasst, sagt Richard Stiennon, Analyst beim Unternehmen IT-Harvest. "Wir hängen zehn bis 15 Jahre hinterher." Ein Dutzend zielstrebiger Programmierer könnte das Land in ernste Schwierigkeiten bringen, warnt Lynn. Jüngst mahnte auch Präsident Barack Obama deutlich: "Dieselbe Technologie, die neue Möglichkeiten eröffnet, schafft auch neue Bedrohungen."

"Unsere größte Herausforderung derzeit? Leute zu finden, die wir für diese Mission brauchen", sagt Keith Alexander, der Top-Kommandeur der Cybersoldaten. Sein Kommando soll bald 1000 Mitarbeiter mit besten IT-Kenntnissen umfassen. Schwierig zu finden in einer Organisation, in der bislang eher große Fähigkeiten am Gewehr oder im Cockpit gefragt waren. Zumal Alexander bei der Personalauswahl eingeschränkt ist. Sein Team setzt sich aus bereits bestehenden Cyber-Einheiten der Army, Air Force, Navy und Marines zusammen.

Geht es nach den Erfindern des Cyber Command, darf es bald enger mit den Behörden und Privatunternehmen kooperieren, um die Netzwelt in den USA wirklich umfassend beschützen zu können. Dafür aber müssen das Weiße Haus und der Kongress einige Gesetze ändern, die noch aus der Zeit stammen, in der Telefone Wählscheiben hatten.