Kommandosoldaten befreien Präsidenten Ecuadors, der von protestierenden Polizisten festgehalten wurde

Hamburg. Mit Einsetzen der Dunkelheit rücken rund 500 schwer bewaffnete Spezialkräfte der ecuadorianischen Armee auf das Militärkrankenhaus in Quito vor, in dem meuternde Polizisten Präsident Rafael Correa gefangen halten. Die Kommandosoldaten eröffnen das Feuer, die Meuterer schießen zurück. Eine Stunde dauert das wilde Gefecht, bei dem zwei Polizisten getötet und sieben Soldaten verletzt werden. Dann geht alles blitzschnell. Die Elitetruppen stürmen das Gebäude, befreien Correa nach zwölfstündiger Geiselhaft und bringen den Präsidenten, der kürzlich am Knie operiert wurde, in einem Rollstuhl in Sicherheit.

Nach seiner Rettung zeigte sich der 47-Jährige unverletzt auf dem Balkon des Präsidentenpalastes in Quito. "Glauben sie mir, als ich befreit wurde und man mir sagte, dass mindestens ein Polizist getötet wurde, kamen mir die Tränen, weil das Blut von Brüdern zu unnütz vergossen wurde", sagte der Staatschef. Er sprach von einem "Putschversuch". Diese "Horde von Wilden" habe ihn töten wollen. "Sie wollten Blut", sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger. Diejenigen, die den Aufstand angezettelt hätten, würden hart bestraft. "Hier wird nichts vergeben und nichts vergessen."

Begonnen hatte die Staatskrise, als in der Hauptstadt Quito und anderen Städten des südamerikanischen Landes Hunderte Polizisten und Sicherheitskräfte Kasernen und Kommissariate besetzten. In Quito blockierten rund 150 Soldaten die Landebahn und legten stundenlang den Flugverkehr lahm. Grund des Aufruhrs war ein neues Gesetz, das den Sicherheitskräften Bonuszahlungen streicht und die Zeit zwischen Beförderungen verlängert. Das Gesetz ist noch nicht in Kraft, weil Correa es noch nicht unterzeichnet hat.

Bei dem Versuch des Präsidenten, mit den aufgebrachten Demonstranten zu reden, kam es vor der Polizeikaserne Regimento zu dramatischen Szenen. "Wenn Sie den Präsidenten töten wollen, dann tötet ihn, aber ich weiche nicht", schrie der wütende Correa. Kurz darauf eskalierte die Situation. Im ecuadorianischen Fernsehen war zu sehen, wie eine Tränengasgranate neben Correas Kopf explodierte. Seine Leibwächter streiften dem Staatschef eine Gasmaske über, trugen ihn zu einem bereitstehenden Auto und brachten ihn in das Militärkrankenhaus.

Von dort verhängte Correa telefonisch den Ausnahmezustand über das Land und meldete sich bei einem Radiosender. Correa warf der Opposition abermals einen Putsch-Versuch vor. Er sei praktisch ein Gefangener der Protestierenden. Dem Staatsfernsehen sagte er, dass er die Klinik nur als Präsident oder als Leiche verlassen werde. Peru und Kolumbien schlossen vorsorglich ihre Grenzen zum Nachbarland.

Kurz darauf stellt sich der Kommandeur der ecuadorianischen Streitkräfte hinter den Präsidenten. Gestern Morgen trat der Polizeichef des Landes zurück. In Quito beruhigte sich die Lage etwas. Schulen und Geschäfte blieben geschlossen, die Zeitung "El Universo" berichtete allerdings von Plünderungen. Der verarmte Andenstaat, etwa so groß wie Italien, hat eine lange Tradition sozialer Unruhen. Von 1996 bis 2006 hatte Ecuador acht Präsidenten. Drei von ihnen wurden durch Massenproteste gestürzt. Der linksgerichtete Correa wurde 2006 erstmals zum Staatschef gewählt. Er hatte sich im Wahlkampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft gewandt und den Armen Hilfsprogramme versprochen. Die neuen Gesetze zur Besoldung der Sicherheitskräfte hatte Correa damit begründet, dass sie den Missbrauch von Steuergeldern verhindern. Doch auch in seiner eigenen Regierungspartei gibt es Widerstand gegen die Sparpläne.

Unterstützung erhielt Correa von anderen Staatsführern der Region. "Lateinamerika wird keine weiteren Angriffe auf die Demokratie hinnehmen", erklärte die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez. Auch die Präsidenten von Mexiko, Chile, Peru, Kolumbien und Bolivien sicherten Correa in einem seltenen Schulterschluss ihre Unterstützung zu. Sein venezolanischer Amtskollege Hugo Chávez, ein enger Vertrauter, schrieb über Twitter, die Demonstranten versuchten, den Präsidenten zu stürzen. "Viva Correa", schrieb Chávez. Auch die USA verurteilten den Gewaltausbruch. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, die Angriffe seien kein akzeptables Mittel der Konfliktlösung.