Der 40 Jahre alte neue Parteichef soll die britischen Sozialdemokraten aus der Krise führen und wieder regierungsfähig machen

London. Er ist der jüngste Labour-Chef, seit Tony Blair 1994, damals gerade 41 geworden, in diese Position gewählt wurde; 41 wird Ed Miliband erst im Dezember. Wie im Fotofinish gelang ihm jetzt der Sprung an die Spitze: Erst im vierten Wahlgang konnte sich der jüngere der Brüder Miliband gegen David, 45, den Ex-Außenminister, durchsetzen - mit 50,6 zu 49,3 Prozent der Stimmen.

Und das nur, weil im Wahlmännergremium aus Parteimitgliedern, Labour-Abgeordneten im Unterhaus und im EU-Parlament sowie Mitgliedern der Gewerkschaften letztere klar für ihn gestimmt hatten. Diese Tatsache ist für den Neuen ein großes Handicap. Seine Parlamentskollegen und das Parteifußvolk wollten nicht ihn, sondern den anderen Miliband. Dank der Gewerkschaftsstimmen gesiegt zu haben stempelt den Sieger sogleich als linkslastigen, von protestfreudigen Stimmen im Arbeitnehmerlager abhängigen Politiker ab - "Red Ed", wie man ihn gerne nennt. In seinen ersten Äußerungen stemmte er sich entschieden gegen diese Sicht. "Ich bin mein eigener Mann", sagte er der BBC. "Es geht hier nicht um einen Schwenk nach links, absolut nicht." Ein weiteres Handicap für ihn ist, dass die Labour-Fraktion darüber abstimmen darf, wer ins Schattenkabinett kommen soll. Nur aus diesem Pool der Namen darf dann Miliband die Verteilung unter den einzelnen Ressorts vornehmen.

Die wichtigste Personalfrage lautet jetzt, ob der unterlegene David Miliband in einem Schattenkabinett unter Leitung seines Bruders dienen möchte. Die Wunden, die der Wettstreit beiden geschlagen hat, sitzen tief. David Miliband grollt, dass der Jüngere mit seiner Kandidatur ihm, der lange mit der Spitzenposition gerechnet hatte, in den Weg getreten war. Zweimal schon hatte der ältere Miliband den eigenen Ehrgeiz gebremst, als er von vielen Seiten gedrängt wurde, gegen Gordon Brown anzutreten. Dass ausgerechnet der viereinhalb Jahre jüngere Bruder ihn jetzt um den erhofften Sieg gebracht hat, sehen viele als psychologische Barriere vor einem Eintritt in dessen Schattenkabinett.

Die Brüder, die einer polnisch-jüdischen Familie entstammen, verbindet ein überragender Intellekt. Ed Miliband, mit vollen Vornamen Edward Samuel, sagt man eine umgänglichere, "normalere" Natur nach als David, der als "Kopfmensch" gilt. Beide haben Oxford absolviert und stießen früh zu Labour, David auf Seiten Blairs, Ed bei Gordon Brown. Im Parlament sitzt der neue Labour-Chef erst seit 2005, aber schon 2008 machte Gordon Brown ihn zum Minister für Energie und Klimawandel, ein steiler Aufstieg. Große Energie wird er in der Tat benötigen, um die tief gespaltene Labour-Partei wieder siegesfähig zu machen.