Woodward-Buch enthüllt bitteren Streit um Afghanistan-Abzug

Washington. Bob Woodward ist eine amerikanische Reporterlegende. 1972 deckte er zusammen mit Carl Bernstein die Watergate-Affäre um die Machenschaften von US-Präsident Richard Nixon auf, später enthüllte er brisante Interna aus der Regierungszeit von Präsident George W. Bush. Insgesamt schrieb er ein Dutzend Bestseller. Am Montag legt Woodward sein neues Buch unter dem Titel "Obamas Wars" (Obamas Kriege) vor. Daraus geht hervor, dass die Regierung Obama vor allem in Bezug auf die Afghanistan-Politik in erbitterte Auseinandersetzungen verstrickt war, dass es Eifersüchteleien und persönliche Angriffe gab.

Wie Woodwards Recherchen und mehr als 40 Gespräche mit Obama und US-Regierungsmitgliedern ergaben, lehnte der Präsident eine zeitlich unbegrenzte Aufstockung der Truppen am Hindukusch um 40 000 Soldaten, wie von den Militärs gefordert, strikt ab und wollte stattdessen eine Abzugsstrategie. "Ich mach doch keine zehn Jahre", sagte er am 26. Oktober 2009 gegenüber Verteidigungsminister Robert Gates und Außenministerin Hillary Clinton. "Ich mache kein langfristiges Nation-Building. Ich gebe doch nicht eine Billion Dollar aus."

Wie der Sender CBS News berichtete, lag Obama total überkreuz mit den Militärs, die seine Strategie eines Abzuges, dem eine kurzfristige Truppenverstärkung vorangeht, als zum Scheitern verurteilt ansahen. Vor allem waren Generalstabschef Mike Mullen und der damalige und seit Kurzem wieder neue Oberkommandeur in Afghanistan, General David Petraeus, anderer Ansicht. "Die Regierung verarscht den falschen Mann", knurrte Petraeus im Mai grob gegenüber seinem Stab. Zuvor hatte er fast ein Treffen mit Obama im Weißen Haus abgebrochen, weil Obamas stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater Thomas E. Donilon eine abwertende Bemerkung über einen seiner Generäle gemacht hatte. Mullen wiederum lag in Fehde mit einem Vize, General James Cartwright, der ihm fehlende Kriegserfahrung vorhielt. Petraeus bemühte sich derweil, jeden Kontakt mit Obamas Chefberater David Axelrod zu vermeiden, den er für einen "totalen PR-Typen" hielt. Axelrod wiederum soll Obama im Wahlkampf davor gewarnt haben, Hillary Clinton einen hohen Posten zu geben: "Wie kannst du Hillary nur trauen?" Pentagon-Chef Gates fürchtete, dass der Nationale Sicherheitsberater General James Jones durch Donilon ersetzt werden könnte, den er für eine "Katastrophe" hielt. In seinem privaten Umfeld nannte General Jones Obamas Beraterstab nur "Wasserwanzen", "das Politbüro" oder "die Mafia". Am schroffsten äußerte sich US-Vizepräsident Joe Biden, der vom Afghanistan-Sonderbeauftragten der US-Regierung, Richard Holbrooke, sagte, er sei "der egoistischste Bastard, der mir je untergekommen ist".

"Ich will eine Rückzugsstrategie", soll Obama gefordert haben. Denn erstens gebe ihm das amerikanische Volk höchstens zwei Jahre, um das Problem zu lösen. Und dann wolle er bestimmt nicht "die ganze Demokratische Partei verlieren". Sein militärischer Afghanistan-Berater, Generalleutnant Douglas Lute, soll dazu angemerkt haben, dass Obamas Strategie-Entscheidung nicht mit seiner Lagebeurteilung im Einklang stehe. Auch Holbrooke lehnte die Strategie einer zeitlich begrenzten Truppenaufstockung vehement ab.

Woodward enthüllt in seinem Buch auch die Existenz einer 3000 Mann starken CIA-Sondereinheit namens "Counterterrorism Pursuits Teams", die in Pakistan Taliban und Al-Qaida-Kämpfer tötet. Und, dass der afghanische Präsident Hamid Karsai manisch-depressiv ist und mit starken Medikamenten behandelt wird.