Keine Partei erreichte eine Parlamentsmehrheit von 76 Sitzen - dem Land droht eine parlamentarische Hängepartie.

Sydney/Adelaide. Bei den äußerst knappen Parlamentswahlen in Australien zeichnet sich ein Sieg der Konservativen ab – dem Land droht aber trotzdem eine parlamentarische Hängepartie. Wie der Sender ABC am Samstag unter Berufung auf Teilergebnisse berichtete, erreichte das national-liberale Bündnis von Tony Abbott 73 Parlamentssitze, die Laborregierung von Premierministerin Julia Gillard sicherte sich 70 Mandate. Damit erreichte keine Partei eine Parlamentsmehrheit von 76 Sitzen.

Gillard, die erst im Juli Regierungschef Kevin Rudd von der Spitze der Labor Party verdrängt und ihn als Premierminister abgelöst hatte, räumte ein, die Wahl nicht vollständig gewonnen zu haben. Sie sicherte jedoch zu, die Regierung „weiter zu führen und für eine starke und stabile Regierung zu sorgen“, bis das Endergebnis der Wahlen feststehe. Der Wahlgang sei derart knapp, dass noch nicht von einem Ergebnis gesprochen werden könne, sagte Gillard vor Anhängern in Melbourne. Klar sei aber bereits jetzt, dass „unabhängige“ Parteien bei der Regierungsbildung eine Rolle spielen würden.

Australien hat ein Zwei-Kammer-Parlament nach britischem Vorbild. Die Partei, die die meisten der 150 Sitze im Repräsentantenhaus gewinnt, bestimmt den Premierminister. Die Grünen konnten sich bei dem Urnengang mindestens einen Sitz im Parlament sichern und könnten nun zum Königsmacher für die Labor Party werden.

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Sie ist entspannt und schlagfertig und sorgt mit ihrem ansteckenden Lachen meist allseits für Heiterkeit – Australiens Premierministerin Julia Gillard kommt bei den Wählern an. Mit ihrer Charme-Offensive will sie die Wahlen am Sonnabend gewinnen. Kaum zu glauben, dass diese Frau noch vor acht Wochen die Messer wetzte, ihrem Boss in den Rücken fiel und sich über Nacht in dessen Amt boxte.

Ihr Gegner kämpft mit ähnlich harten Bandagen: Tony Abbott überrumpelte erst im Dezember die Parteiführung der Liberalen und setzte sich in einer Kampfabstimmung überraschend an die Spitze. Die beiden liegen nach letzten Umfragen Kopf an Kopf, der Wahlausgang ist völlig offen.

Durch Gillards Coup blieb ein fassungsloser Regierungschef Kevin Rudd auf der Strecke. Er hatte die Labor-Partei keine drei Jahre zuvor zum Sieg über das fast zwölf Jahren regierende konservative Lager geführt. „Wie sie ihn ausgebootet hat, das hat etwas von Judas- Kuss“, sagte Ann Wendler, eine Sekretärin in Adelaide, wo Gillard aufwuchs. „Das wird sie Stimmen kosten.“

Die Juristin Gillard (48) wischt bei einem Wählerforum in ihrer Heimatstadt Fragen nach der Parteirevolte gegen Rudd routiniert vom Tisch: „Wir mussten handeln, weil die Umfragewerte der Regierung im Keller waren und wir die Geschicke des Landes nicht der Opposition überlassen wollten“, sagt sie. Und lächelt freundlich

Dass schon Klein-Julia wusste, was eine Harke ist, enthüllt sie später. In ihrer früheren Schule räumt Gillard ein, dass sie in der ungeliebten Kochstunde einst Kaktusstacheln ins Essen rührte. Ihr Gegner ist Tony Abbott (52), ein ehemaliger Journalist, der Gillard beim Machtinstinkt in nichts nachsteht. Er hat sich selbst erst im Dezember in einer Kampfabstimmung an die Spitze der Liberalen-Partei gesetzt. Abbott hat lange sein Image als Draufgänger gepflegt. Er ließ sich gerne in knapper Badehose beim Extremsport ablichten, nannte den Klimawandel Mist und Politiker Lügner.

Das Macho-Image kam vor allem bei den Wählerinnen nur mäßig an. Seit das Chef-Amt in Reichweite ist, ist er zurückhaltender. „Wer Regierungschef werden will, muss sich auch wie einer benehmen“, sagte er in Adelaide.

Abgesehen vom Machtinstinkt könnten die Kandidaten kaum unterschiedlicher sein: Abbott vom rechten Flügel der Konservativen, Gillard vom linken Flügel der Labor-Partei. Abbott, der einstige Priesteranwärter („Ich fand die Damen zu attraktiv, um Priester zu werden“), Gillard eine erklärte Atheistin („Ich werde nicht vorgeben an Gott zu glauben, nur um Wählerstimmen zu kassieren“). Abbott ist Vater von drei Töchtern, Gillard eine kinderlose und unverheiratete Karrierefrau. Sie lebt mit einem Friseur zusammen, und will mit ihm in die offizielle Residenz in Canberra einziehen, wenn sie gewinnt.

„Ich predige meinen Lebensstil nicht als Modell für andere Leute“, sagt sie in einem Interview mit der Frauenzeitschrift „Women's Weekly“. Die Australier seien souverän genug, ihren Regierungschef nach politischen Positionen auszusuchen, nicht nach dem Lebensstil.

Das fällt vielen Wählern allerdings schwer . Die Positionen der Parteien unterscheiden sich immer weniger. Mehr Geld für das Gesundheitswesen, ein landesweites Breitbandnetz, Unterstützung für dürregeplagte Bauern, Durchgreifen gegen Menschenschmuggler, die illegale Immigranten bringen – das unterschreiben beide Seiten. So könnten am Ende doch der Lebensstil oder das Urteil der Wähler über Kaktus- und Badehosen-Anekdoten den Ausschlag geben.