Victor Bout, der gefährlichste Waffendealer der Welt, wird von Thailand an die USA überstellt

Hamburg. Mehr als 550 Millionen Schusswaffen gebe es auf der Welt, sinniert Yuri Orlov. Also besitze jeder zwölfte Mensch eine. Die Frage sei nun: "Wie bewaffnet man die übrigen elf?" Es ist die Eröffnungsszene aus dem Film "Lord of War" - Händler des Todes" mit Hollywoodstar Nicolas Cage in der Rolle des skrupellosen Waffenhändlers Orlov. Der Film ist Fiktion, doch die Figur des Orlov ist einer sehr realen Gestalt nachempfunden: dem echten "Händler des Todes", Victor Bout.

Der 43-Jährige galt als umsatzstärkster und raffiniertester Waffenhändler der Welt. Und er galt als unangreifbar. Bis er am 6. März 2008 in einem Luxushotel in Bangkok von der Polizei festgenommen wurde. Lange hatten die thailändischen Gerichte sich den Bestrebungen Washingtons, Bout an die USA auszuliefern, entgegengestellt. Am Freitag jedoch entschied eine Berufungsinstanz in Bangkok, den Waffenhändler binnen dreier Monate zu überstellen.

Bouts Anwalt Lak Nitewatwitschan setzt nun auf eine Intervention von Mächten, die Bout beschützen. Schon hat der russische Außenminister Sergej Lawrow angekündigt, die Entscheidung des thailändischen Gerichts "prüfen" zu wollen. Victor Bout saß wie eine Spinne im Netz des internatonalen Waffenhandels, hat für viele Seiten gearbeitet. Angeblich auch für russische Geheimdienste. Dann wäre Moskau nicht sehr interessiert daran, dass die USA Bout zum Sprechen bringen.

Die USA werfen Bout unter anderem vor, riesige Waffendeals gegen die Interessen Amerikas vorgenommen, auch al-Qaida beliefert und illegal US-Flugzeuge der Typen Boeing 727 und 737 erworben zu haben. In Amerika droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Als am Freitag die Gerichtsentscheidung zur Auslieferung in Bangkok verkündet wurde, brachen seine Frau und seine Tochter im Saal in Tränen aus.

Doch allzu viel Mitleid ist im Falle dieses Mannes kaum angebracht.

Victor Anatoljewitsch Bout, der Welt gefährlichster Waffenhändler, wurde 1967 in Duschanbe in Tadschikistan, damals noch Sowjetrepublik, als Sohn russischer Eltern geboren. Er studierte Fremdsprachen in Moskau, besuchte eine Militärakademie und diente als Offizier eines russischen Luftwaffenregiments. Berichte, er sei zudem Major im Geheimdienst KGB gewesen, hat er stets bestritten.

Beim Kollaps der Sowjetunion gelang es Bout, in den Besitz von Flugzeugen zu kommen. Er gründete und leitete das bald größte Lufttransportunternehmen im Golfemirat Schardscha mit 60 Maschinen und bis zu 1000 Mitarbeitern. Aus der Konkursmasse der Sowjetunion und des Warschauer Paktes beschaffte Victor Bout durch ausgezeichnete Beziehungen ungeheure Mengen an Waffen aller Art und verkaufte sie vor allem an afrikanische Krisenstaaten wie Ruanda, den Kongo, Liberia und Sierra Leone. Der Zufluss von Waffen wirkte auf die Konfliktherde wie Öl, das ins Feuer gegossen wird. Auch dem berüchtigten liberianischen Kriegsherrn und Präsidenten Charles Taylor, der für zahllose Gräueltaten sowie die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten bekannt war und dem zurzeit der Prozess in Den Haag gemacht wird, verkaufte Bout Waffen. Im Gegenzug erhielt er Blutdiamanten. Als skrupelloser Geschäftsmann versorgte er ferner die israelfeindliche Hisbollah im Libanon und die miteinander verfeindeten Armeen und Milizen in Afghanistan. Daneben flog er Material für die US-Soldaten und für den US-Militärdienstleister KBR in den Irak. Auch die Uno und die britische Regierung nahmen seine Dienste gelegentlich in Anspruch. Doch schließlich erließ die Uno Sanktionen gegen Bouts umtriebige Firma; mehrere Staaten stellten Haftbefehle aus, darunter nun auch die USA.

Victor Bout zog sich ins sichere Moskau zurück. Ein Husarenstück der amerikanischen Antidrogenbehörde DEA führte schließlich zu seinem Fall. DEA-Agenten gaben sich als Kämpfer der kolumbianischen FARC-Rebellen aus und wollten von Bout tonnenweise Raketen, Drohnen, Sturmgewehre und Munition erwerben, angeblich um kolumbianische und amerikanische Ziele damit anzugreifen. Der Mega-Deal lockte den "Händler des Todes" aus seiner russischen Bastion nach Bangkok. Er bot sogar an, eigenhändig beim Töten von Amerikanern, seinen Feinden, mitzumachen. Damit erweiterte sich die US-Anklage um den entscheidenden Punkt: Verschwörung zur Ermordung amerikanischer Staatsbürger.