Hightech-Streitkräfte sollen Amerikas Dominanz im Pazifik brechen und Konflikt um Taiwan gewinnen können, glaubt das Pentagon

Hamburg/Washington. Seit wenigen Tagen gilt China offiziell als zweitstärkste Wirtschaftsmacht der Erde - nun auch vor Japan und schon weit vor Deutschland. Chinas auf Hochtouren laufende Exportwirtschaft - begünstigt durch eine heruntermanipulierte Währung - spült Abermilliarden in die Kassen Pekings.

Und diese gewaltigen Summen werden zunehmend dazu verwendet, Chinas Militär zu der global dominierenden US-Army aufschließen zu lassen.

Washington ist bereits beunruhigt, wie jetzt aus einem Bericht des Pentagons hervorgeht. Zwar nehmen sich Chinas offizielle Militärausgaben noch immer zwergenhaft gegenüber dem US-Wehretat aus. Der stieg dieses Jahr auf den Rekordwert von 680 Milliarden Dollar und ist damit so hoch wie die Etats der nachfolgenden 15 Staaten zusammen. China gab für 2009 umgerechnet gut 50 Milliarden Dollar an - aber Experten des US-Verteidigungsministeriums glauben, dass Peking bereits 2008 in Wahrheit bis zu 150 Milliarden Dollar für die Rüstung ausgegeben hat. Seit Jahren erfährt Chinas Militärhaushalt zweistellige Zuwachsraten.

Den Amerikanern macht vor allem Sorgen, dass die Chinesen auf dem Gebiet der militärischen Hochtechnologie sprunghafte Fortschritte machen. Der technische Vorsprung ermöglichte es den USA bislang, notfalls mehrere Kriege zugleich zu führen und auf dem Gefechtsfeld auch zahlenmäßig überlegene Gegner niederzuhalten.

Zwar hat China aus Kostengründen in den vergangenen 15 Jahren rund 700 000 Soldaten ausgemustert, doch seine Streitkräfte sind mit 2,3 Millionen Kämpfern immer noch mit Abstand die größten der Welt. Zum Vergleich: Die USA haben gut 1,4 Millionen Mann unter Waffen, Indien 1,2 Millionen, Russland eine knappe Million. China hat mit 8400 Kampfpanzern bereits mehr als die USA (7880), auch wenn die chinesischen Modelle technologisch weniger fortgeschritten sein dürften.

Washington glaubt, dass Peking mit der massiven Aufrüstung vor allem drei Ziele verfolgt: Zum einen wollen man die militärische Stärke einsetzen können, um politische und diplomatische Vorteile zu erlangen. China liegt mit mehreren Nachbarstaaten im Streit über Inselterritorien und Rohstoffvorkommen. Zum anderen wolle Peking den starken amerikanischen Einfluss im Pazifik und in Asien zurückdrängen.

Drittens aber diene die Aufrüstung dazu, einen Konflikt mit und um Taiwan gewinnen zu können und die Amerikaner von militärischer Unterstützung abzuschrecken. Taiwan, wo die chinesischen Nationalisten unter Tschiang Kai-schek nach dem verlorenen Bürgerkrieg gegen Mao Tse-tungs Kommunisten 1949 eine eigene Republik errichteten, wird von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet. Die USA haben sich Taipeh vertraglich zum Beistand verpflichtet; doch die Aufrüstung Chinas lässt das demokratisch und westlich orientierte Taiwan immer weiter ins Hintertreffen geraten. Taiwan hat 370 000 aktive Soldaten, allerdings auch mehr als 1,6 Millionen Reservisten.

Dem Pentagon-Bericht nach verfügt die chinesische Armee inzwischen über mehr als 1150 Kurzstreckenraketen und ist dabei, auch ihr Mittelstrecken-Arsenal erheblich aufzustocken. Zudem würden hochmoderne, weitreichende Artilleriesysteme entwickelt, die ebenfalls in der Lage seien, Taiwan vom Festland aus zu beschießen. Bis 2020 will China auch eine eigene Flotte an Flugzeugträgern bauen - und damit den Amerikanern Paroli bieten, die auf diesem Gebiet mit zwölf Trägerkampfgruppen weltweit absolut dominieren.

Die dramatische Umgestaltung von der einfachen Massenarmee zur Hightech-Streitmacht mit mehrschichtigen offensiven Einsatzmöglichkeiten zeigt sich unter anderem an einem speziell entwickelten Raketensprengkopf mit der Bezeichnung DF-21. Er kann auf eine Interkontinentalrakete montiert werden und nach US-Angaben einen Flugzeugträger "auf einen Schlag versenken". Chinas neue Interkontinentalrakete DF-41 soll 12 000 Kilometer Reichweite haben und jeden Punkt der USA mit Atomwaffen erreichen können.

Ferner baut China an Kampfflugzeugen mit Tarnkappenfähigkeiten. Im vergangenen Jahr wurde China verdächtigt, die geheimen Daten des hochmodernen amerikanischen Kampfjets F-35 "Lightning II" gestohlen zu haben, der sich noch in der Testphase befindet.

In seinem 83-seitigen Bericht beklagt das Pentagon bezüglich der chinesischen Militärambitionen einen "Mangel an Transparenz", der zu "Missverständnissen und Fehleinschätzungen" führen könne. China wies das US-Papier als "Einmischung in innere Angelegenheiten" zurück.