Regierungschef Netanjahu will in Gaza-Untersuchung keine Soldaten befragen lassen

Jerusalem. Wegen der Uno-Untersuchung des israelischen Angriffs auf Schiffe mit Hilfsgütern für den Gazastreifen geht Israel auf Konfrontationskurs zu den Vereinten Nationen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte mit dem Boykott der Uno-Kommission, die gestern unter israelischer Beteiligung ihre Arbeit beginnen sollte. Hintergrund ist ein Streit darum, ob das Gremium auch israelische Soldaten befragen darf.

Sein Land werde nicht zulassen, dass die Uno-Ermittler israelische Soldaten befragen, erklärte Netanjahu nach Angaben seines Sprechers. "Israel arbeitet nicht zusammen und nimmt nicht teil an einem Gremium, das israelische Soldaten verhören will." Bevor Israel vergangene Woche seine Teilnahme an der Untersuchung zu dem Vorfall mit neun Toten Ende Mai zugesagt habe, sei dem Land versichert worden, dass das Mandat der Kommission "ausgewogen, verantwortlich ist und nicht die grundlegenden Interessen und die Sicherheit" des Landes gefährde.

Netanjahu reagierte auf Äußerungen von Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon. Dieser hatte bestritten, dass das Uno-Expertengremium keine an der Kommandoaktion beteiligten israelischen Soldaten befragen dürfe. Eine solche Vereinbarung mit Israel sei "nicht hinter den Kulissen" getroffen worden, stellte Ban zuvor klar. Israels Vize-Regierungschef Dan Meridor hatte seinerseits vergangene Woche gesagt, das Mandat der Kommission sehe eine Befragung der Soldaten nicht vor.

Die Untersuchungskommission der Uno sollte gestern ihre Arbeit aufnehmen. Ihr gehören auch jeweils ein Vertreter Israels und der Türkei an. Sie untersucht die Erstürmung des türkischen Hilfsschiffs "Mavi Marmara" durch israelische Soldaten, bei der am 31. Mai neun Aktivisten getötet worden waren. Erklärtes Ziel der Solidaritätsflotte war es, die von Israel verhängte Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Der Militäreinsatz in internationalen Gewässern hatte weltweit Empörung ausgelöst und belastet die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel.

Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak bedauerte gestern vor einem israelischen Untersuchungsausschuss zu dem Angriff den "Verlust von Menschenleben" bei der Aktion. Zugleich stellte Barak in seiner Aussage in Jerusalem klar, dass die Verantwortung für die neun Toten bei den Organisatoren der Gaza-Hilfsflotte liege. Die Flotte sei eine "geplante Provokation" gewesen. Die Blockade des Gazastreifens nannte Barak "absolut notwendig". Damit werde verhindert, dass sich das von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Gebiet in ein "Waffenlager" verwandle.

Netanjahu hatte zuvor vor dem Gremium ausgesagt. Dabei machte er auch die Türkei für die Eskalation der Situation verantwortlich. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu forderte Israel hingegen auf, seine Verantwortung für den blutigen Einsatz einzugestehen. "Niemand kann die Verantwortung für die Tötung von Zivilisten in internationalen Gewässern auf jemand anderen abschieben", sagte er. Der türkische Politiker äußerte die Hoffnung, dass die Uno-Kommission die "nach internationalem Recht Verantwortlichen" benennen werde.