Naomi Campbell sagt bei Kriegsverbrechertribunal gegen Liberias Ex-Diktator Charles Taylor aus

Den Haag. Für einen Moment sah es so aus, als wäre Naomi Campbell doch nicht gekommen und die Weltpresse vergebens angereist. Es war neun Uhr morgens, als die Richterin Julia Sebutinde sie in den Zeugenstand rief. Eine Gerichtsdienerin verließ den Saal, um die Top-Zeugin aus einem Nebenraum zu holen. Doch es geschah nichts. "Ich hoffe, sie wird nicht erst aus dem Hotel abgeholt", murrte Richterin Sebutinde. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft versicherte, Miss Campbell sei bereits im Gebäude - und schließlich kam sie. Mit Hochsteck-Frisur, cremefarbenem Twinset und einem tongleichen, engen Rock. Sie schwor auf die Bibel, nichts als die Wahrheit zu sagen. Da besann man sich, dass das hier eine ernste Veranstaltung war.

Naomi Campbell war vom "Sondertribunal für Sierra Leone" als Zeugin vorgeladen worden, weil die Staatsanwaltschaft mit ihrer Hilfe beweisen will, dass der ehemalige liberianische Präsident Charles Taylor Waffen gegen Blutdiamanten geliefert hat. Eben solche Diamanten soll Taylor der Britin vor 13 Jahren geschenkt haben.

Seit Januar 2008 steht der Ex-Präsident, der 2006 in Nigeria verhaftet wurde, in Den Haag vor Gericht. Taylor soll unter anderem für die Ermordung, Verstümmelung, Vergewaltigung, Misshandlung und Versklavung Tausender Menschen während des Bürgerkriegs in Sierra Leona mit verantwortlich sein, der zwischen 1991 und 2001 über 120 000 Menschen das Leben kostete. Von Liberia aus soll er die Revolutionary United Front (RUF) im Nachbarland mit Waffen versorgt - und dafür im Gegenzug Rohdiamanten erhalten haben. Der nicht unter mangelndem Selbstbewusstsein leidende Taylor hat die Vorwürfe als "totalen Quatsch" abgetan. Diamanten habe er nie erhalten.

Genau das wollte die Anklage mithilfe des Topmodels widerlegen. Im September 1997 war die heute 40-Jährige, "Botschafterin" für den "Nelson Mandela Children's Fund", nach einer Fundraising-Veranstaltung zum Abendessen in der Residenz des damaligen südafrikanischen Präsidenten in Pretoria eingeladen. Ebenfalls anwesend war Charles Taylor, der offenbar Gefallen an Naomi Campbell fand. Nachdem sich die Gäste zurückgezogen hatten, ließ er dem Model Diamanten aufs Zimmer bringen. Dies zumindest hatten im Vorfeld des Prozesses die Schauspielerin Mia Farrow und Campbells ehemalige Agentin Carole White berichtet, die bei dem Abendessen zugegen waren und am Montag als Zeugen geladen sind.

Naomi Campbell hatte bisher stets bestritten, die Diamanten erhalten zu haben, und sich zunächst geweigert, bei dem Prozess auszusagen, weil sie um "die Sicherheit" ihrer Familie fürchtete. Unter Androhung von Zwangsmaßnahmen von bis zu sieben Jahren Haft hatte das Gericht Frau Campbell kooperativer gestimmt. Auf die Frage der Staatsanwältin Brenda J. Hollis, ob sie nach dem Abendessen noch Besuch in ihrem Zimmer erhalten habe, antwortete sie mit Ja: "Als ich schon schlief, klopfte es an meiner Tür. Ich öffnete. Da waren zwei Männer, die mir einen Beutel gaben und sagten, 'ein Geschenk für dich'." Die Männer hätten sich weder "namentlich vorgestellt", noch hätten sie gesagt, von wem das Präsent sei. Erst am Morgen habe sie den Beutel geöffnet und "vielleicht zwei oder drei schmutzig aussehende Steinchen" vorgefunden. Sie sei es ansonsten gewöhnt, Diamanten "glänzend in einer Schatulle" zu sehen. Das Geschenk an sich sei aber nicht ungewöhnlich. "Ich bekomme dauernd Geschenke, zu jeder Tages- und Nachtzeit", sagte das Topmodel.

Mia Farrow und Carole White hätten ihr später gesagt, die Steine müssten von Taylor sein. "Ich selbst hatte bis zu dem Abendessen noch nie von Charles Taylor gehört. Ich hatte sogar noch nie etwas von Liberia gehört", sagte das Model, das zudem Behauptungen ihrer Ex-Agentin White zurückwies, sie habe beim Essen heftig mit Taylor geflirtet.

Mit Campbells Aussage ist die Staatsanwaltschaft ihrem Ziel, eine direkte Verbindung zwischen Taylor und den Blutdiamanten herzustellen, nicht näher gekommen. Campbell berichtete, sie habe die Diamanten am nächsten Tag dem damaligen Leiter des Mandela Children's Fund, Jeremy Ratcliffe, übergeben, damit dieser sie "zum Nutzen der Kinder verwende". Allerdings habe der Mann, der heute nicht mehr für die Stiftung arbeitet, auf Anfrage ihrer Anwälte kürzlich gesagt, dass er immer noch im Besitz der Steine sei. Der Mandela Children's Fund hat dem Gericht derweil mitgeteilt, nie Diamanten erhalten zuhaben.