Ein geschäftsführender und ein Ex-Premier stehen für sechs Monate an der Spitze Europas

Hamburg. Wenn die Belgier nur mit irgendetwas Erfahrung haben, dann ist es die Europäische Union. Das können sie. Schließlich ist Brüssel ja auch so etwas wie der Hauptsitz der EU. Zudem hat das Land als Gründungsmitglied der Union bereits zwölfmal die Ratspräsidentschaft tadellos absolviert. Aber seit gestern - verflixte 13 - hat mit Belgien ein Land ohne Regierung den rotierenden Vorsitz der EU übernommen.

Ausgerechnet. Schon der Vorgänger, das hoch verschuldete Spanien, war als Vorsitzender mit der Führungsrolle bei der Bekämpfung der globalen Finanzkrise überfordert. Immer wieder musste das Land dementieren, dass es den EU-Rettungsschirm benötige. Und Belgien ist nicht nur politisch kopflos, sondern ebenfalls finanziell klamm.

Kein Grund zur Sorge, hat der geschäftsführende Premier Yves Leterme, dessen flämischen Christdemokraten vor zwei Wochen eine bittere Niederlage bei vorgezogenen Wahlen einstecken mussten, versichert. "Es steht außer Zweifel, dass Belgien - wer immer die Regierung in den kommenden Monaten führt - zum Vorsitz in der EU bereit ist."

Das liegt vor allem an dem neuen EU-Reformvertrag ("Lissabon-Vertrag"), der die Bedeutung der Ratspräsidentschaft schmälert. Den Vorsitz bei EU-Gipfeln hat jetzt der ständige Ratspräsident, Herman Van Rompuy, zufällig ebenfalls ein Belgier. Er war sowohl Letermes Vorgänger als auch dessen Nachfolger im Amt des Regierungschefs. Belgien hat damit eine Art doppelten EU-Ratsvorsitz. Zwar blieb der Christdemokrat Van Rompuy, der eigentlich als gewiefter Machtstratege gilt, trotz unzähliger Krisentreffen rund um die Euro-Rettung und Milliarden-Hilfspakete im ersten Halbjahr 2010 recht blass. Aber jetzt hat er die Chance, Statur zu gewinnen. "Es wird der erste normale europäische Rat seit meinem Amtsantritt", sagt Van Rompuy. Und: "Es gibt keine Krise. Wir haben halb elf und es gibt keine Krise."

Die EU allerdings steht vor einem entscheidenden Halbjahr. Nach dem Scheitern ambitionierter Pläne auf dem G20-Gipfel muss Europa beweisen, ob es eine Finanz-Transaktionssteuer oder scharfe Regeln gegen Hedgefonds im Alleingang durchsetzen kann. Zudem muss der belgische Vorsitz den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst auf die Beine stellen. Außerdem braucht die EU im Gaskonflikt mit Russland und im Atomstreit mit dem Iran eine einheitliche Position. Da gilt es als Vorteil, dass sich jetzt zwei Männer den Job an der Spitze der EU teilen, die sich aus der gemeinsamen politischen Arbeit kennen.