Mit 130 Milliarden Euro soll in der EU die Wirtschaft angekurbelt und die Arbeitslosigkeit gemildert werden. Andere Streitpunkte ungeklärt.

Rom/Luxemburg. Es ist der Gipfel der Hitzewelle in Rom. Mario Monti steht bei 34 Grad vor dem Halbrund der Villa Madama und begrüßt jeden seiner Gäste mit Handschlag am Auto. Drei sind gekommen: Frankreichs Präsident François Hollande, Spaniens Premier Mariano Rajoy und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Erwartungen stiegen mit dem Quecksilber, als sich um Viertel nach zwei die Türen hinter der Viererrunde schließen. "Europa steht auf dem Spiel!", hatte der italienische Premierminister vorab als Aufgabe für den Tag ausgegeben.

+++ Monti macht Druck bei der Europarettung +++

Die vier Regierungschefs wollten noch keine Beschlüsse fassen. Sie wollten Gemeinsamkeiten finden und rote Linien abstecken, als Vorbereitung auf den EU-Gipfel Ende kommender Woche. Das Treffen soll einen Einstieg in eine Reform markieren, wie sie Europa noch nicht gesehen hat. Den Fahrplan für eine politische Union wollen die Staats- und Regierungschefs entwerfen, eine Ankündigung zwar nur, ein Versprechen, aber ein Zeichen an die Märkte: Europa tut was, und Europa ist stärker. Um diese Botschaft vorzubereiten, fand das Treffen in Rom statt.

Die akuten Probleme der Krise löst das nicht, das tut nicht einmal der konkreteste zu erwartende Beschluss im Reformplan, der vorsieht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) künftig Europas Banken beaufsichtigen soll. Und so beschwören die vier Häupter in Rom Zuversicht, Einigkeit und europäischen Geist in der langen Frist. Man strebe erhebliche Fortschritte an, um "die Integrität und Stabilität des Euro zu gewährleisten", sagte Monti nach dem Treffen. "Wir setzen alle darauf, dass der Euro unumkehrbar ist", fügte Rajoy an. Und Merkel versprach: "Wir tun alles, um für den Euro zu kämpfen." Was der Gastgeber mit "Danke, Angela!" quittierte.

Das Pathos also stimmte in Rom. Doch es wurde auch geschachert, ums Geld, wie immer in dieser Krise. Jeder will seine eigenen Probleme schnellstmöglich lösen - am besten freilich mithilfe der anderen.

Da ist zunächst der Gastgeber. Mario Monti musste sich herbe Kritik von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefallen lassen für eine Idee, von der sich erst im Lauf der Woche erhellte, wie er sie wirklich gemeint hatte: Die EZB solle Staatsanleihen von Krisenländern kaufen, der Rettungsfonds EFSF dafür garantieren, so geht der Vorschlag in Kürze, erklärten italienische Diplomaten geduldig. Schäubles Ärger bei Ankunft beim Finanzministertreffen in Luxemburg war damit aus deutscher Sicht verständlich: "Wir brauchen nicht ständig neue Überlegungen in der Öffentlichkeit, als hätten wir nicht längst präzise Vereinbarungen getroffen", sagte er in Richtung des abwesenden Monti, der zwar auch Italiens Finanzminister ist, aber seinen Stellvertreter Vittorio Grilli schickte - die beiden saßen sich am Arbeitstisch genau gegenüber. Denn die italienische "Idee" wäre schlicht eine Hilfe der Zentralbank dabei, dass Länder sich günstig Geld besorgen können.

Monti braucht schnelle Erfolge: Die Parteien, die seine Regierung tragen, besonders die PDL seines Vorgängers Silvio Berlusconi, drohen damit, ihn fallen zu lassen. Und so brachte Monti es in einem Interview mit einer guten Handvoll europäischer Zeitungen auf den Punkt: Die Risikoaufschläge müssten runter, auf welchem Weg auf immer - sonst werde sich das Projekt der europäischen Einigung nicht mehr als Gewinn für alle verkaufen lassen, diese Gefahr sehe er sogar im italienischen, "traditionell europafreundlichen" Parlament. In der "Repubblica" war sogar von einem Ultimatum die Rede: Monti werde sich mit deutlichen Worten an die Kanzlerin wenden. Entweder sie mache Zugeständnisse, oder sie gefährde seine Regierung.

Monti will vermitteln zwischen Angela Merkel und François Hollande: Mit Blick auf die Wachstumsforderungen des neuen französischen Präsidenten klappte das auch. Nach dem Treffen verkündete der Italiener, dass sich die vier einig seien, ein 130 Milliarden Euro schweres Wachstumspaket aufzulegen. "So schnell wie möglich", wie Hollande anfügte. Merkel bestätigte die Einigung: Es sei notwendig, eine "klares Zeichen" für Wachstum und Jobs zu setzen.

Zugleich betonten Monti, Hollande und Rajoy den Stellenwert der Haushaltsdisziplin. Ein Zugeständnis an Merkel. Auch Hollande bewegte sich - und nahm die Vorlage der Kanzlerin auf, die als Preis für eine verstärkte gemeinsame Haftung auch verstärkte Durchgriffsrechte fordert. Das also, was in einer Fiskalunion enden könnte und in die Linien französischer Europapolitik weit weniger passt als in die der deutschen. Nun, so die Botschaft, solle sich auch Merkel bewegen. Auch Spanien wünscht sich das. Die Euro-Gruppe erwartet aber von Spanien, bis Montag einen offiziellen Antrag auf die politisch schon zugesagten Hilfen zu stellen, sagte ihr Chef Jean-Claude Juncker. Die endgültige Summe solle in den kommenden Wochen ausgehandelt werden, zusammen mit Bedingungen und spanischen Gegenleistungen - und die will Premierminister Mariano Rajoy so gering wie möglich halten. Spanien sei nicht Griechenland, Probleme hätten nur die Banken, nicht das Land, so geht die spanische Argumentation für eine weitgehend bedingungslose Hilfe.

Da kam Christine Lagarde gerade recht. Die IWF-Chefin war nach Luxemburg gekommen, um einen Bericht ihrer Organisation über die Euro-Zone abzugeben. Die großen Linien der europäischen Pläne unterstützte Lagarde: Europa brauche eine Bankenunion, sagte sie, mit einer gemeinsamen EU-weiten Aufsicht, brauche aber auch ein Rettungs- und Abwicklungsregime, wie es die Kommission kürzlich vorschlug, und eine gemeinsame Einlagensicherung. Europa müsse sich zweitens auf eine Fiskalunion besinnen, darauf, "mehr Risiko zu teilen", aber auch mehr Durchgriffsrechte zu schaffen. Drittens dürften die Strukturreformen nicht vernachlässigt werden. Das aber alles langfristig - kurzfristig hat auch Lagarde Wünsche, die ihr den Ärger mit den Europäern vom Hals schaffen könnten.

So forderte sie, wie auch Spanien es will, bei der Rekapitalisierung maroder Banken "nach Möglichkeit eine direkte Verbindung mit EFSF beziehungsweise ESM herzustellen", und die Staaten so zu umgehen. Zweitens wünschte sie sich eine "kreative Geldpolitik" von der EZB, "die Wachstum fördern kann". Doch die Einrichtung des ESM droht sich zu verzögern, weil Bundespräsident Gauck das entsprechende Gesetz wegen rechtlicher Bedenken vorerst nicht unterschreiben will.