Paris. In Frankreich zeichnet sich vor der entscheidenden Runde der französischen Präsidentenwahl ein erbitterter Kampf um die Anhänger der ausgeschiedenen Rechtspopulistin Marine Le Pen ab. Präsident Nicolas Sarkozy verteidigte in einer kämpferischen Rede sein offenes Werben um die Stimmen der rechtsextremen Front National (FN). Sarkozy sagte im Pariser Vorort Longjumeau, Le Pen, die in der ersten Wahlrunde mit knapp 18 Prozent der Stimmen überaus stark abgeschnitten hatte, sei als Kandidatin offiziell zugelassen gewesen: "Also ist sie auch kompatibel mit der Republik. Man kann in der zweiten Runde keinen Wahlkampf machen wie in der ersten, man muss das Votum für die FN verstehen."

Um die Stichwahl entgegen aller Prognosen gewinnen zu können, ist Sarkozy dringend auf die Stimmen der Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten angewiesen. Im ersten Wahlgang am Sonntag hatten rund 30 Prozent der Wähler für Kandidaten der extremen Linken oder Rechten gestimmt.

Sarkozy brandmarkte das sozialistische Lager als verlogen. Er akzeptiere keine moralischen Lektionen von einer Linken, die Dominique Strauss-Kahn in den Elysée-Palast habe bringen wollen. Sarkozy spielte damit darauf an, dass der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) monatelang als Lieblingskandidat der Sozialisten für die Präsidentschaftskandidatur galt - bis er über Vergewaltigungsvorwürfe und eine illegale Sexparty stürzte.

Der in Umfragen favorisierte Herausforderer François Hollande kündigte an, die unzufriedenen und wütenden Bürger bei der Stichwahl nicht seinem Konkurrenten zu überlassen. "Es ist meine Pflicht, mich sofort diesen Wählern zuzuwenden", sagte der Sozialist Hollande der Tageszeitung "Libération". Dies gelte aber nicht für diejenigen, die das radikale Gedankengut von Le Pens rechtsextremer Partei teilten.

Anders als von Sarkozy und Medien angeboten, verweigert Herausforderer Hollande mehrere Rededuelle. Diese seien nicht nötig. Die Veranstaltung eines einzigen großen Duells sei Tradition und Ritual. Die vier großen Radiosender Europe 1, France Inter, RMC und RTL hatten Sarkozy und Hollande eine Rededebatte in ihren Programmen vorgeschlagen. Damit würden nach Senderangaben geschätzte zwölf Millionen Hörer erreicht.

Nach Überzeugung von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier würde ein Sieg des Sozialisten eine "politische Zeitenwende" in Europa einleiten. "Der konservative Kurs, der die Europäische Währungsunion in die Rezession und die Krisenstaaten in die Schuldenspirale getrieben hat, kann gebrochen werden", kommentierte Steinmeier in Berlin. Mit François Hollande an der Spitze des Nachbarlandes verbessere sich die Ausgangslage für einen "Strategiewechsel", um für neue wirtschaftliche Dynamik in der EU zu sorgen und die Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa stärker zu bekämpfen, sagte Steinmeier.