Der Niederländische Ministerpräsident Rutte tritt nach gescheiterten Haushaltsverhandlungen mit Rechtspopulist Wilders zurück.

Frankfurt/Main. Mehrere Wochen hat der Wirtschaftsfachmann Mark Rutte in den niederländischen Haushaltsverhandlungen um einen Kompromiss gerungen. Doch letztlich stolperte der Regierungschef über das politische Schmuddelkind, von dessen Unterstützung er sich nach der letzten Wahl abhängig gemacht hatte. Der Rechtspopulist Geert Wilders polterte in den Budgetgesprächen wortgewaltig gegen die EU und ließ die Verhandlungen schließlich platzen. Er werde nicht akzeptieren, "dass die älteren Niederländer für unsinnige Forderungen aus Brüssel zahlen müssen“, wetterte Wilders.

Als erster Liberaler an der Regierungsspitze in Den Haag seit fast 100 Jahren war Rutte im September 2010 ambitioniert gestartet. Im Wahlkampf hatte es sich als entschlossener Wirtschaftsfachmann positioniert und die Schaffung von 400.000 neuen Arbeitsplätzen versprochen. Er werde die Entwicklungshilfe und die niederländischen EU-Beiträge halbieren und so den Haushalt sanieren, kündigte Rutte an. Der Staat sei „keine Beglückungsmaschine, die die Bürger vor jedem Risiko im Leben schützen muss“, hatte er bereits in seiner Zeit als Oppositionsführer in einer Grundsatzerklärung gesagt.

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Als Ministerpräsident von Wilders Gnaden war der 45-Jährige jedoch stets angreifbar. Der Rechtspopulist, dessen Freiheitspartei Ruttes Minderheitsregierung seit 2010 duldete, trieb den Kabinettschef immer wieder vor sich her. „Das war schon immer ein sehr wackeliges Gefüge“, sagt Jolanda Sap von der oppositionellen Partei GroenLinks. Der EU-Kritiker Wilders sprach sich im vergangenen Monat für eine Abkehr vom Euro und eine Wiedereinführung des Guldens aus. Ruttes Volkspartei für Freiheit und Demokratie steht hingegen für einen eher proeuropäischen Kurs.

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"Wir wollen uns Brüssel nicht beugen“, sagte Wilders zuletzt während der Haushaltsverhandlungen. „Wir wollen nicht, dass unsere Rentner wegen den Diktatoren in Brüssel leiden.“ Solchen Parolen hatte der besonnene Rutte offenbar wenig entgegenzusetzen, der bis zuletzt das aus seiner Sicht „ausgeglichene Paket“ an Kürzungen lobte.

Als Jugendlicher wollte Rutte als Konzertpianist Karriere machen

Rutte gilt eher als Mann der leisen Töne. Als Jugendlicher träumte er von einer Zukunft als Konzertpianist, doch dann machte der Spross einer protestantischen Unternehmerfamilie zunächst Karriere in der Wirtschaft. Von 1992 bis 2002 arbeitete er als Personalmanager beim Konsumgüterkonzern Unilever. Dann wechselte er als Staatssekretär für Arbeit und Soziales in die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende.

Rutte gilt als netter Zeitgenosse, aber auch als smart und zielstrebig. Im Juni 2006 setzte er sich in einer Kampfabstimmung gegen die umstrittene Integrationsministerin Rita Verdonk durch und übernahm den Vorsitz der Volkspartei für Freiheit und Demokratie. Nach der Niederlage bei den vorgezogenen Neuwahlen im November gingen die Rechtsliberalen mit Rutte an der Spitze in die Opposition.

Politisch kam die Finanzkrise zwei Jahre darauf dem Wirtschaftsexperten durchaus gelegen. Die vorher dominierenden Themen Einwanderung und Integration traten in den Hintergrund und Rutte positionierte sich als entschlossener Fachmann, der das Land saniert und wieder nach vorne bringt. Bei den Wahlen 2010 wurde die Volkspartei für Freiheit und Demokratie zwar stärkste politische Kraft, musste sich in der Minderheitsregierung mit den Christdemokraten allerdings von Wilders Rechtspopulisten dulden lassen.

Nun ist Rutte von dem ungeliebten Partner zu Fall gebracht worden. Ob eine vorgezogene Parlamentswahl für stabilere Mehrheitsverhältnisse in Den Haag sorgen wird, scheint angesichts des zersplitterten Parteiensystems in den Niederlanden zumindest fraglich. Fingerspitzengefühl dürfte in jedem Fall nötig sein. Ruttes musikalisches Vorbild, der Pianist Wladimir Horowitz, beschrieb seine Kunst einmal so: „Klavierspiel besteht aus Vernunft, Herz und technischen Mitteln.“ Das gilt auch für die Politik.