François Hollande liegt bei der Präsidentenwahl vor Nicolas Sarkozy. Bis zur Entscheidung am 6. Mai müssen beide neue Wähler gewinnen.

Paris. Unmittelbar nach Ende des ersten Wahlgangs haben Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und sein sozialistischer Herausforderer Francois Hollande den Kampf um die Stimmen der unterlegenen Kandidaten aufgenommen. Sarkozy umwarb am Sonntagabend in Paris die Unterstützer des rechtsextremistischen Front National, dessen Kandidatin Marine Le Pen ein Rekordergebnis von fast 19 Prozent im ersten Wahlgang erzielt hatte. „Ich rufe alle, die ihr Vaterland lieben auf, mich zu wählen“, appellierte "Sonnenkönig" Sarkozy an das nationalistische Lager.

Auch inhaltlich ging er erneut auf die Rechtsaußen-Partei zu: Er kündigte an, die Grenzkontrollen zu verschärfen und die Zuwanderung weiter zu begrenzen. Hollande forderte er auf, sich in den kommenden beiden Wochen drei Life-Debatten zu stellen, statt der üblichen einen. „Alles muss debattiert werden, ohne Scheinheiligkeit, ohne Ausweichen ohne Verstecken.“

Hollande rief sich zum Favoriten für die Stichwahl aus. Er sei in der besten Situation, die entscheidende Runde zu gewinnen, sagte er vor Anhängern. Hollande kündigte an, „Europa zurück auf den Pfad von Beschäftigung und Wachstum zu führen“. Er sei sich bewusst, dass er aus dem Ausland scharf beobachtet werde, sagte Hollande, der angekündigt hatte, bei einem Sieg den Europäischen Fiskalpakt nachzuverhandeln.

Umfragen vom Wahlabend sehen Hollande als klaren Sieger der Stichwahl in zwei Wochen. Nach Untersuchungen verschiedener Institute kann er mit 53 bis 56 Prozent der Stimmen rechnen.

Wichtige Unterstützung erhielt Hollande schon Stunden nach Schließung der Wahllokale vom Viertplatzierten Jean-Luc Melenchon. Zwar vermied der Kandidat von Linkspartei und Kommunisten es, Hollande explizit beim Namen zu nennen. Gleichwohl rief er seine Anhänger indirekt dazu auf, ihn in der zweiten Runde am 6. Mai zu unterstützen. „Wir müssen die einzige Möglichkeit nutzen, die der Wahlzettel noch bietet. Gibt es einen anderen? Ich will Sarkozy schlagen“, sagte der ehemalige sozialistische Senator. Auch Grünen-Kandidatin Eva Jolie, die nur zwei Prozent erhielt, warb für Hollande.

Zwischenergebnissen nach Auszählung von mehr als 85 Prozent der Stimmen zufolge hat Hollande die erste Wahlrunde am Sonntagabend mit 28,2 Prozent gewonnen. Sarkozy kam auf 27 Prozent.

+++ Leitartikel: Sonnenkönig in Not +++

In ihrer typischen Siegerpose, mit weit ausgestreckten Armen und einer donnernden Rede, feierte Marine Le Pen ihren überraschenden Erfolg. „Unser Kampf um Frankreich beginnt erst jetzt“, sagte sie am Sonntagabend vor ihren Anhängern. Die Spitzenkandidatin der rechtsextremen Front National hat nach allen ersten Prognosen einen historischen Sieg zwischen 18 und 20 Prozent der Stimmen errungen.

Damit hat sie noch das Ergebnis von 16,86 Prozent ihres Vaters Jean-Marie Le Pen 2002 übertroffen. Anders als vor zehn Jahren aber reicht dieser Stimmenanteil nicht aus, um die Front National in das entscheidende Duell am 6. Mai zu befördern. Dort werden sich der sozialistische Herausforderer François Hollande und der amtierende Staatspräsident Nicolas Sarkozy gegenüber stehen.

Marine Le Pen stilisierte sich bei ihrem Auftritt als „einzige Opposition Frankreichs“. Sie habe die beiden großen Parteien „der Banken und der Finanzvorstände“ explodieren lassen. Mit diesem Tag habe eine neue Ära der „Patrioten und der Liebe zu Frankreich“ begonnen.

Abermals haben die Umfragen die Front National falsch eingeschätzt: Das unerwartet hohe Ergebnis ihres Vater Jean-Marie Le Pen war bei der Wahl 2002 um mehr als drei Punkte unterschätzt worden, weil die Anhänger damals in Umfragen ihre wahre Absicht verschwiegen hatten. Vor zehn Jahren führte dies in den Augen der Franzosen zum „schwarzen Sonntag“ – die Linke war zersplittert und die Front National kam zusammen mit dem späteren Präsidenten Jacques Chirac in den zweiten Wahlgang. Chirac gewann dann letztendlich mit mehr als 82 Prozent eindeutig. Aber das Schreckgespenst, die Rechtsextreme wieder knapp hinter den etablierten Parteien zu sehen, ist in Frankreich wieder auferstanden.

Auch für Europa ist dies ein negatives Signal: Marine Le Pen hat im Wahlkampf vor allem Stimmung gegen „die Bürokraten in Brüssel“ und ihr „übles Spardiktat“ gemacht. „Das Ergebnis der Front National muss einen Aufschrei in diesem Land hervorrufen“, sagte der Sozialist Hollande am Wahlabend. Es sei ein Aufschrei derjenigen, die sich in Frankreich schlecht behandelt fühlten. „Ich bin der Kandidat, der alle vereinigen möchte.“ Für wen die FN-Wähler im zweiten Wahlgang stimmen werden ist allerdings noch unsicher.

Noch dazu sind die FN-Anhänger offenbar besonders schlechtVater bei historischem Sieg der rechtsextremen Front National in Frankreich einzuordnen: Auch bei der vergangenen Wahl 2007 waren die Prognosen für die FN falsch – damals überschätzen sie die Meinungsinstitute um drei Prozentpunkte. In diesem Jahr nun wurde sie weit unterschätzt und auf einen Anteil zwischen 14 und 16 Prozent taxiert. Das nächste Ziel der Front National werden nun die Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni sein. Marine Le Pen rief dazu auf, „das System erneut umzuwerfen“. Ihr Überraschungserfolg muss allerdings nicht unbedingt von Dauer sein: Auch ihr Vater Jean-Marie Le Pen hatte bei den Parlamentswahlen 2002 im zweiten Wahlgang nur knapp zwei Prozent der Stimmen erreicht.

Mit Material von dapd und rtr