Gericht in Ägypten soll Verantwortung für Tod von 74 Fans klären

Kairo. Verhandelt wird über tödliche Tumulte im Fußballstadion der nordägyptischen Stadt Port Said, und der Prozess begann mit Tumulten: Angehörige der 74 Todesopfer und die 73 Angeklagten, die in einer Art Käfig saßen, schrien sich gegenseitig an und beschimpften einander, im Gerichtssaal herrschte zeitweise Chaos. Richter Abdel Magid Mahmoud musste die Verhandlung mehrfach unterbrechen. Vor dem Gerichtsgebäude hielten Demonstranten Fotos von Getöteten hoch, auf Transparenten stand: "Wir wurden in Port Said getötet."

Die angeklagten Hooligans erklärten sich für nicht schuldig und machten indirekt die Polizei und Sicherheitskräfte für die Vorfälle verantwortlich. Einige der Angeklagten skandierten im Gerichtssaal: "Eins, zwei, wo ist Husni Mubarak?" Der Prozess, der aus Sicherheitsgründen von Port Said in die Hauptstadt Kairo verlegt wurde, findet in demselben Gebäude statt, in dem derzeit das Verfahren gegen den früheren Präsidenten läuft.

Auch der Prozess um die Gewalt im Stadion hat eine politische Dimension: Die Mehrzahl der Opfer waren Anhänger des Kairoer Vereins al-Ahly. Die Fans des Hauptstadt-Klubs hatten sich im vergangenen Jahr in großer Zahl an den Protesten gegen das Mubarak-Regime beteiligt und zu seinem Sturz beigetragen. Daher ist in Ägypten die Vermutung weit verbreitet, bei den Stadionkrawallen sei Rache an den Mubarak-Gegnern genommen worden.

Als al-Ahly am 1. Februar in Port Said gegen das heimische Al-Masry-Team spielte, stürmten Fans des Gastgebervereins - von den Sicherheitskräften weitgehend ungehindert - das Spielfeld und gingen mit Brechstangen, Messern und Schusswaffen auf die Fans aus Kairo los. In ihren Reihen sollen auch Sprengsätze detoniert sein. Einige der Al-Ahly-Fans starben, weil sie von Al-Masry-Anhängern von der Tribüne in die Tiefe gestürzt wurden.

Für 61 der Angeklagten lautet die Anklage auf Mord. Den anderen Angeklagten wird vorgeworfen, sie hätten die tödlichen Krawalle durch Fehlverhalten ermöglicht.

Neun Polizisten, darunter auch der damalige Polizeichef der Hafenstadt, müssen sich wegen Nachlässigkeit im Dienst verantworten, weil die Fans am Eingang des Stadions nicht nach Waffen durchsucht wurden. Die Beamten hätten zudem zugelassen, dass 3000 Zuschauer mehr eingelassen wurden, als das Stadion fasst, und bereits vor dem Spiel gewusst, dass Angriffe auf Al-Ahly-Fans geplant waren. Berichten zufolge waren viele der mutmaßlichen Täter der örtlichen Polizei als Kriminelle bekannt. Den Offizieren drohen im Fall einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.

Ein Ingenieur, der für die Beleuchtung in dem Stadion zuständig war, steht vor Gericht, weil er - nachdem die Randalierer das Spielfeld gestürmt hatten - das Licht ausgeschaltet hatte. Damit soll er nicht nur das Chaos vergrößert, sondern auch die Flucht der Täter erleichtert haben.