Horrorszenarien: Der US-Präsident Obama fürchtet ein Scheitern der Atom-Gespräche und Israels Angriff während des Wahlkampfs.

Washington. Die Horrorszenarien, die derzeit im Pentagon und im Weißen Haus durchgespielt werden, sehen etwa so aus: Die Atomgespräche mit dem Iran scheitern, Israel startet im Laufe des Sommers einen militärischen Angriff auf die Atombunker, Teheran schießt massiv zurück - und die USA kommen nicht umhin, ihrem engsten Verbündeten Israel beizustehen. Ein Waffengang mitten im Präsidentschaftswahlkampf - ein Schreckgespenst für Barack Obama.

Obama weiß vor den an diesem Wochenende beginnenden Gesprächen mit dem Iran, dass das Thema zur Schicksalsfrage werden kann. Sein Verhältnis zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gilt nicht als vertrauensvoll - im Gegenteil. Obama müsse davon ausgehen, dass Netanjahu ihn nur Stunden vor einem möglichen Angriff informieren würde, sodass Obama keine echte Chance mehr haben würde, Netanjahu noch umzustimmen, spekulieren Insider in Washington.

Netanjahu wiederum kalkuliere kühl, dass Obama kaum eine andere Option habe, als ihm im Ernstfall militärisch unter die Arme zu greifen. "Niemand von uns kann es sich leisten, viel länger zu warten", verkündete Netanjahu freimütig vor ein paar Wochen in einer Rede vor der amerikanischen Israel-Lobby. Das klingt nach Worten eines Mannes, der seinen Entschluss bereits getroffen hat.

Dabei hatte Obama zu Anfang seiner Amtszeit große Pläne, wie er mit dem Regime in Teheran ins Gespräch kommen könnte. Im Wahlkampf hatte er gar gesagt, er sei bereit, sich mit Präsident Mahmud Ahmadinedschad an einen Tisch zu setzen - sogar ohne Vorbedingungen. Daraus wurde nichts.

Dann hatte Obama in seiner berühmten Rede 2009 in Kairo der muslimischen Welt die Hand zur Versöhnung gereicht. Nach der Eiszeit der Bush-Ära hoffte Obama auf einen Neuanfang. Ebenfalls vergeblich. Vor allem Teheran reagierte denkbar kühl. Das Atomprogramm wurde vorangetrieben, sogar forciert. Was nun? "Ein Deal mit dem Iran?", überschrieb die "Washington Post" einen Kommentar. Darin klopft das Blatt ab, was bei den Gesprächen mit dem Iran an diesem Wochenende herauskommen könnte. Überzeugend hörten sich die Optionen allerdings nicht an, warnt das Blatt.

Eine Lösung könnte demnach heißen: Teheran beendet die Produktion hochgradig angereicherten Urans und schafft das bereits produzierte Material ins Ausland. Zudem würde die neue unterirdische Atomanlage bei Ghom in diesem Szenario geschlossen. "Ein Deal nach diesem Muster würde Israel und viele im Kongress beleidigen", meint die "Post" jedoch.

Schließlich habe Washington bisher gefordert, dass der Iran seine Urananreicherung komplett stoppen müsse. Doch für alle, die meinen, dass Militärschläge gegen den Iran "in den nächsten Monaten weder notwendig noch klug wären", wäre dieses Szenario ein Grund zum Aufatmen. Auch wenn sich ein solches Abkommen längerfristig als kontraproduktiv erweisen sollte, weil es dem Iran eine Atempause geben würde. Vor allem Barack Obama wäre wohl glücklich über einen solchen Deal.