Nach der Neuwahl am 6. Mai dürfte die Regierungsbildung kompliziert werden. Konservative drohen bereits mit weiteren Urnengängen

Brüssel/Istanbul. Am 6. Mai bricht Griechenland in eine neue Ära auf. Nach wochenlangen Verzögerungen steht nun der Termin für die Neuwahlen. Das bisherige Zwei-Parteien-System, in dem Konservative Nea Dimokratia (ND) und Sozialisten (Pasok) einander an der Macht abwechselten, wird dabei höchstwahrscheinlich einem neuen - womöglich chaotischen - politischen Kräftegefüge weichen. Abgesehen von Pasok, ND, Kommunisten (KKE), Linken (Syriza) und Rechtspopulisten (Laos) prophezeien die Meinungsumfragen eine Reihe neuer Parteien im nächsten Parlament. Sie haben eines gemeinsam: Sie sind gegen die mit der EU vereinbarte Sparpolitik.

Am schlagzeilenträchtigsten dürfte eine Partei namens Goldene Morgendämmerung in Erscheinung treten. In den jüngsten Umfragen bewegte sie sich zwischen drei und mehr als fünf Prozent. Drei Prozent wären genug, um ins Parlament zu kommen. Die Partei gilt als rechtsextrem: Nur "Arier" dürfen Mitglied sein, ein umgeformtes Hakenkreuz ist das Parteisymbol, angeblich ist der Hitlergruß intern üblich.

+++ Vorgezogene Wahlen in Griechenland am 6. Mai +++

Zwischen sieben und zehn Prozent geben die Umfragen der neuen Partei Unabhängige Griechen (Anel), eine Abspaltung der konservativen ND. Sie ist auch gegen die Sparpolitik und sieht Griechenland zudem als Opfer einer internationalen Verschwörung, gegen die nur ein nationaler Aufstand hilft.

Bisher dominierte am rechten Rand die populistische Laos, die als Teil der Übergangsregierung neben ND und Pasok mitwirkte. Das hat sie viel Unterstützung im rechten Lager gekostet - nun liegt sie nur noch zwischen drei und vier Prozent. Nimmt man aber diese drei Parteien zusammen, so ergibt sich ein extrem rechtes Wählerpotenzial von 13 bis 19 Prozent.

Auch am linken Rand bewegt sich viel. Die neue sozialdemokratische Partei Demokratische Linke liegt bei sechs bis neun Prozent. Die traditionellen Linksparteien, Syriza (sechs bis elf Prozent) und die Kommunisten (sieben bis zehn Prozent) wollen keine Regierungsverantwortung übernehmen.

+++ Analyse: Warum Griechenland noch nicht gerettet ist +++

So stellt sich die Frage, ob das von allen Experten vorhergesagte Ende des Zwei-Parteien-Systems wirklich eintreten wird. Zwar werden aller Voraussicht nach mehr Parteien im neuen Parlament sitzen als im alten; aber wenn es darum geht, eine Regierung zu bilden, dann kommen wie eh und je zuallererst Pasok und die ND infrage.

Pasok war im Februar bereits auf einem Tiefpunkt von sechs bis acht Prozent angelangt, steht nun aber wieder bei 15 Prozent. Sie hat unter dem später gestürzten Ministerpräsidenten Papandreou die maroden Staatsfinanzen zum Thema gemacht, die Staatengemeinschaft zu Hilfe gerufen - und setzt nun darauf, dass die Griechen diesen Weg am Ende doch honorieren. Auch die Wahl des Vollblutparteistrategen Evangelos Venizelos zum neuen Pasok-Chef scheint sich positiv auf die Umfragewerte ausgewirkt zu haben.

Die bisher favorisierten Konservativen stürzten in Umfragen von mehr als 30 auf knapp zwanzig Prozent ab. Schuld daran ist ihre Taktik, gegen die EU zu wettern, aber deren Forderungen dennoch stattzugeben. Was soll also werden? Neuwahlen bis zum Erbrechen, wenn es nach der ND geht. Eine neuerliche Koalition mit Pasok - das von der EU bevorzugte Ergebnis - wäre derzeit die einzige Aussicht auf eine einigermaßen stabile Regierung, aber ND-Chef Antonis Samaras lehnt das ab. Er will neu wählen lassen, wenn keine regierungsfähige Mehrheit zustande kommt - so lange, bis es eben eine gibt.

Sollte die ND mit den rechten bis rechtsextremen Parteien zusammen regieren wollen, läuft das wohl auf eine Rücknahme der griechischen Verpflichtungen gegenüber der EU hinaus - nachdem die Europäer Hunderte Milliarden Euro zugesichert, und Investoren auf den größten Teil ihrer Ansprüche verzichtet haben.

Neuwahlen in Serie sind das Letzte, was man in Brüssel sehen möchte. Dort ärgert man sich schon über die Kosten der jetzt anstehenden Wahl. Das Athener Parlament hat den Parteien 29 Millionen Euro aus der Staatskasse zu Finanzierung des Wahlkampfs bewilligt. Eine Studie für den Verband der griechischen Steuerzahler hat errechnet, dass Griechenlands Parteien im Verhältnis zu den Steuereinnahmen sechsmal mehr Geld für ihre Kampagnen bekommen als deutsche Parteien.

Der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, forderte bereits, die Auszahlungen aus dem zweiten EU-Hilfspaket für Griechenland angesichts dieser Wahlkampffinanzierung zu stoppen. Verhofstadt: "Wieso sollten wir mit dem zweiten Hilfspaket weitermachen, wenn es bei den beiden größten Parteien keine Anzeichen gibt, das System ändern zu wollen? Pasok und Nea Dimokratia benehmen sich wie Blutsauger."