US-Präsident verteidigt vertrauliche Worte an Russlands Staatschef Medwedew. Das Gespräch wurde von einem Mikofon übertragen.

Seoul. So ist das mit den Peinlichkeiten in der Politik - sind sie erst einmal in der Welt, verbreiten sie sich rasend schnell über die Medien. So wie damals, als Ronald Reagan 1984 vor einer Ansprache scherzte, die USA hätten die Sowjets gerade für "vogelfrei" erklärt. "Wir beginnen in fünf Minuten mit der Bombardierung." Dass diese Sätze schon mitgeschnitten wurden, ahnte er nicht.

US-Präsident Barack Obama muss derzeit ebenfalls versuchen, die Wogen der Erregung über vertrauliche Bemerkungen in einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zu glätten. Die Unterhaltung der beiden am Rande des Nukleargipfels im südkoreanischen Seoul wurde von einem Mikrofon übertragen, von dem die Staatschefs offenbar nicht wussten, dass es eingeschaltet war. Das Thema war der zwischen der Nato und Russland schwer umstrittene Raketen-Abwehrschild in Europa. Und der US-Präsident signalisierte dem Kollegen aus Moskau dabei offenbar Entgegenkommen. "Das ist meine letzte Wahl", sagte Obama zu Medwedew und fügte hinzu: "Nach meiner Wahl werde ich flexibler sein." Medwedew antwortete: "Ich verstehe. Ich werde diese Information an Wladimir (Putin) weitergeben."

Besonders die Republikaner in den USA, die Obama im Herbst zu gern aus dem Amt drängen würden, zeigten sich empört darüber. Obamas möglicherrepublikanischer Herausforderer Mitt Romney nannte die Äußerungen des Präsidenten "alarmierend und beunruhigend". Es gebe keinen Spielraum bei Verhandlungen mit den Russen über dieses Thema. Andere führende US-Republikaner kritisierten, Obama wolle den Russen Zugeständnisse bei der Raketenabwehr machen, die Amerikaner aber bis zu seiner Wiederwahl darüber im Dunkeln lassen.

Am Tag danach versuchte der Präsident nicht nur, den Schaden zu begrenzen, sondern er ging in die Offensive und suchte das Gespräch mit der Presse. "Ich will die Atomarsenale abbauen", sagte Obama. Und dabei müsse man Vertrauen und Kooperation bei den Fragen zur Raketenverteidigung aufbauen. Auf Fragen, ob seine Äußerungen anmaßend gewesen seien, da er die Wahlen im November ja erst einmal gewinnen müsse, ging Obama nicht ein.

Für Russland hängen die Fragen der atomaren Abrüstung und des Aufbaus des Raketenabwehrschilds in Europa eng zusammen. Die Sorgen der Russen angesichts der bald vor ihrer Haustür stehenden US-Raketen haben nach einem Durchbruch vor zwei Jahren die weiteren Verhandlungen über den Abbau der Atomarsenale gelähmt.

Obama erklärte, er werde den Rest des Jahres damit verbringen, technische Fragen mit den Russen zu klären. Es sei ja wohl keine Überraschung, dass so etwas nicht schnell gehe. Dies gelte erst recht, wenn in einigen Monaten in den USA Präsidenten- und Kongresswahlen anstünden und wenn in Russland der Präsident wechsle.

Auf dem Gipfel in Seoul nutzte derweil der japanische Regierungschef Yoshihiko Noda das Podium, um die jüngsten nordkoreanischen Raketenpläne zu kritisieren. Nordkoreas Vorhaben würde den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zur Nichtverbreitung von Atomwaffen zuwiderlaufen und Resolutionen des Uno-Sicherheitsrates verletzen, erklärte er. Eigentlich stand die Angelegenheit nicht auf der Agenda des Gipfels. Nordkorea hatte erklärt, sollte sein Atomvorhaben zum Thema gemacht werden, werde dies als "Provokation" verstanden. Nordkorea hatte jüngst den Start einer Trägerrakete mit einem Satelliten angekündigt und damit internationale Kritik auf sich gezogen.

Die Vertreter der mehr als 50 Staaten verpflichteten sich in der Abschlusserklärung des Atomgipfels zur atomaren Abrüstung und zum Kampf gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen. Der Atomterrorismus sei eine der größten Herausforderungen für die internationale Sicherheit, heißt es in dem Papier.

Der Vorschlag Deutschlands, auch zivil genutzte Materialien strenger zu kontrollieren, wurde in die Abschlusserklärung aufgenommen. Fast überall auf der Welt gebe es neben atomwaffenfähigem Material weitere Strahlenquellen - in Medizin, Forschung und Industrie, hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle zuvor gesagt. Dieses Material müsse genauso geschützt werden wie etwa gefährliche Abfälle aus Kernkraftwerken. Es stelle eine Gefahr dar und könne zum Bau "schmutziger Bomben" missbraucht werden.

Zudem wurden die Staaten dazu aufgerufen, bei der Kontrolle spaltbaren Materials künftig enger zusammenzuarbeiten. Jedes Land müsse aber eigene Schutzmechanismen entwickeln, hieß es. Die beteiligten Staaten bekräftigten in der Abschlusserklärungdarüber hinaus ihr Ziel, bis 2014 jegliches atomwaffenfähiges Material auf der Welt zu sichern. Auch der Schutz beim Transport von radioaktivemMaterial soll verbessert werden. Mehr als Willensbekundungen lieferte das Abschlussdokument nicht. Die Bemühungen sind ausdrücklich freiwillig - und nicht verpflichtend.