Doch beim Welt-Nukleargipfel wird hinter den Kulissen über Nordkorea und Iran geredet

Washington/Moskau. US-Präsident Barack Obama will in seinem Streben nach einer atomwaffenfreien Welt die Abrüstung mit Russland beschleunigen. Die USA verfügten immer noch über mehr Nuklearwaffen als nötig, sagte der Friedensnobelpreisträger gestern in einer Rede vor Studenten in Seoul. Er werde bei einem Treffen mit dem künftigen russischen Präsidenten Wladimir Putin im Mai auf eine weitere Abrüstung dringen, sagte Obama vor Beginn des Gipfels über atomare Sicherheit in Südkoreas Hauptstadt. Russland und die USA hatten sich 2010 auf ein Nachfolgeabkommen zum Start-Vertrag zur deutlichen Reduzierung von Atomwaffen geeinigt.

Diejenigen, die seine Vision verhöhnten, seien im Unrecht, sagte Obama in Seoul: "Ich glaube fest daran, dass wir die Sicherheit der Vereinigten Staaten und unserer Verbündeter garantieren, eine starke Abschreckung gegen jegliche Bedrohung aufrechterhalten und zugleich eine weitere Reduzierung unseres nuklearen Arsenals anstreben können." Ein konkretes Abrüstungsziel nannte Obama allerdings nicht.

Bei dem Gipfeltreffen in Seoul geht es angeblich nur um Strategien gegen die Verbreitung nuklearer Stoffe und die Gefahr "schmutziger Bomben" in der Hand von Terroristen. Auch die Sicherheit der pakistanischen Arsenale ist ein Thema. Weder Nordkorea noch der Iran tauchen auf der offiziellen Tagesordnung auf. Wären diese Länder auf der Konferenz thematisiert worden, hätten einige Teilnehmer auch Israels inoffiziellen Status als Atommacht diskutieren wollen.

Aber die räumliche Nähe zu Nordkorea, das nach Atomwaffen greift, und die zeitliche Nähe zu Debatten über einen Militärschlag gegen Teheran rücken die beiden Parias der Staatenwelt in den gefühlten Mittelpunkt des Gipfels. Nicht nur, weil beide Länder in Seoul fehlen, werden keine Durchbrüche erwartet. Dafür ist das offizielle Thema des Treffens zu kleinteilig. Hinter den Kulissen sprach natürlich trotzdem jedermann über Iran und Nordkorea.

Obamas Abstecher vor dem Gipfelauftakt in die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea verstärkte die Fokussierung auf die Koreanische Halbinsel. Der Präsident äußerte sich dort wie ein Vater über ein unerzogenes Kind. Pjöngjang habe sich in der Vergangenheit sein Einlenken nach provokanter Politik teuer bezahlen lassen. Aber "schlechtes Benehmen wird nicht mehr belohnt", sagte Obama. Vor den Studenten in Seoul richtete er zudem eine Botschaft an Nordkoreas Machthaber: Sie führten ihr Land nur weiter in die Isolation.

Nachdem im Dezember der junge Kim Jong-un die Macht vom verstorbenen Vater Kim Jong-il geerbt hatte, gab es eine kurze Phase des Optimismus in Washington. Pjöngjang sagte einen Stopp seines Atomprogramms im Gegenzug für Lebensmittelhilfen zu. Doch seit das Regime den Start einer ballistischen Rakete für April ankündigte, angeblich zum Transport eines Satelliten ins All, haben sich die Spannungen wieder erhöht. China und Südkorea sind ebenso besorgt wie die USA über das Projekt, das leicht in ein Trägerprogramm für nukleare Gefechtsköpfe umgewidmet werden kann.

Obama rätselte angesichts des Schwankens in Pjöngjang zwischen Kooperationsbereitschaft und Konfrontation, "wer dort das Sagen hat". Bislang glaubt Washington wohl nicht, dass Kim, der erst 28 oder 29 Jahre alt ist, seinen Führungsanspruch gegenüber den mächtigen Militärs bereits gefestigt hat. Auch den Iran warnte Obama. Noch gebe es ein Zeitfenster, um über das - von Teheran weiterhin als rein zivil bezeichnete - Nuklearprogramm zu reden. Doch das Fenster beginne sich zu schließen. Israels Politiker sprechen seit Monaten über Militäraktionen gegen Irans Atomindustrie und äußern die Sorge, dass die Anlagen unter Tage verlegt werden könnten, um sie für Bomben unangreifbar zu machen.

Zum letzten Mal traf gestern Dmitri Medwedew als amtierender russischer Präsident seinen Amtskollegen Obama. Der Gipfel in Seoul diente darum auch zu einer Bilanz des vor drei Jahren erklärten Neustarts in den russisch-amerikanischen Beziehungen. Die Gelegenheit nutzte Medwedew zum Lob: "Auch wenn der Neustart, über den in den letzten drei Jahren viel gesprochen wurde, unterschiedlich bewertet" werde, glaube er, "dass das die besten drei Jahre in der Geschichte der Beziehungen zwischen Russland und den USA in den vergangenen zehn Jahren waren".

Zwei zentrale Streitfragen zwischen Washington und Moskau bleiben gleichwohl ungelöst: Das von den USA angestrebte Raketenabwehrsystem in Europa lehnt Russland unverändert ab. Allerdings hätten Moskau und Washington noch Zeit, um zu einer "ausgewogenen Lösung" zu kommen, sagte Medwedew.

Auch die Gespräche zu Syrien bleiben kompliziert. Obama und Medwedew einigten sich darauf, dass sie die Mission des früheren Uno-Generalsekretärs Kofi Annan unterstützen, doch die Ansichten über die Situation in Syrien bleiben unterschiedlich. "Es gibt bestimmte Schwierigkeiten beim Herangehen an dieses Problem, insbesondere in den letzten Monaten", sagte Obama. Russland will weiterhin nicht den Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad fordern.

Die Niederlande veranstalten 2014 den dritten Gipfel zur Nuklearsicherheit. Statt Medwedew wird dann Russlands alt-neuer Präsident Wladimir Putin erwartet, der im Mai in das Amt zurückkehrt, das er 2008 verließ. Ob auch Obama dann noch als Präsident auf der Gästeliste stehen wird, ist ebenso ungewiss wie die Zukunft der globalen Nuklearrüstung.