Amnesty beklagt systematische Folterungen in Syrien

Damaskus. Syrien versinkt immer tiefer in Chaos und Gewalt: Aus dem ganzen Land wurden gestern Kämpfe und Massaker gemeldet. Regierungstruppen hätten mit der Stadt Idlib im Norden des Landes eine Hochburg der Regierungsgegner unter ihre Kontrolle gebracht, berichtete die regierungsnahe Zeitung "Al-Watan". Idlib wurde zuvor monatelang von Aufständischen gehalten. Regierungstruppen belagerten die Stadt seit drei Tagen. Bei einem Angriff von Deserteuren auf einen Kontrollpunkt in der Region wurden zehn Soldaten getötet. Weitere zwölf Armeeangehörige starben bei einem Überfall in der Stadt Deraa. Aus der Stadt Deir al-Sor und der Millionenstadt Homs wurden weitere Kämpfe gemeldet.

Die an die Türkei grenzende Provinz Idlib ist eines der Zentren der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der Freien Syrischen Armee, die überwiegend aus Deserteuren besteht.

An der Grenze zum Libanon und der Türkei verlegt die syrische Armee nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch (HRW) unterdessen Minen, um Regierungskritiker an der Flucht ins Ausland zu hindern. Der Einsatz von Anti-Personen-Minen sei vollkommen inakzeptabel und müsse gestoppt werden, kritisierte der HRW-Aktivist Steve Goose. Die Berichte von Menschenrechtsaktivisten und Opposition können jedoch kaum überprüft werden, weil eine unabhängige Berichterstattung aus dem arabischen Land äußerst schwierig ist.

Die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad geht seit einem Jahr mit großer Härte gegen den Volksaufstand vor. Nach jüngsten Angaben der Vereinten Nationen wurden seit März 2011 mehr als 8000 Menschen getötet, darunter viele Frauen und Kinder. Die syrische Regierung spricht von mehr als 2000 getöteten Soldaten und Polizisten, die Opfer "bewaffneter Terrorgruppen" geworden seien. Die Unruhen seien das Ergebnis ausländischer Einmischung.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International werden Regimegegner in Syrien seit Beginn der Massenproteste systematisch gefoltert. Die Organisation stützt ihren Bericht auf Aussagen syrischer Flüchtlinge in Jordanien. Überlebende und Augenzeugen hätten 31 Methoden beschrieben, mit denen syrische Sicherheitskräfte und regierungstreue Milizen Festgenommene folterten, teilte Amnesty gestern in Berlin mit.

Der Sondergesandte von Uno und Arabischer Liga, Kofi Annan, erhöhte den Druck auf die syrische Führung: Er erwarte noch im Tagesverlauf eine Antwort von Präsident Assad auf seine jüngsten Vorschläge für ein Ende der Gewalt, sagte der frühere Uno-Generalsekretär.

Die Regierung von Präsident Assad kündigte gestern für den 7. Mai Parlamentswahlen in Syrien an. Das berichtete die staatliche Agentur Sana. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass saubere und faire Wahlen in weiten Teilen des Landes angesichts der andauernden Kämpfe und eines Klimas der Angst nicht möglich sind.