Kabul. Nach der Erschießung von zwei US-Offizieren mitten im afghanischen Innenministerium hat die Nato als Vorsichtsmaßnahme alle ihre Mitarbeiter aus den Ministerien der Hauptstadt abgezogen. Die Behörden fahndeten nach einem 25-jährigen Polizisten, den sie als Hauptverdächtigen bezeichneten. Die radikalislamischen Taliban bekannten sich zu der Tat und nannten sie eine Vergeltung für die Koranschändung durch US-Truppen. Bei der Protestwelle gegen die Verbrennung der heiligen Schriften sind mittlerweile mindestens 27 Menschen ums Leben gekommen.

Die Nato wolle ihre Mitarbeiter mit dem Abzug schützen, erklärte der Kommandeur der Isaf-Truppen, John Allen. Von diesem Schritt dürften auch Mitarbeiter der Bundeswehr betroffen sein. "Grundsätzlich werden auch deutsche Offiziere auf diesem Gebiet mit direktem Kontakt zu den Ministerien eingesetzt", hieß es beim Einsatzführungskommando in Potsdam, das keine weiteren Einzelheiten nennen wollte.

Sicherheitsexperten erklärten, der Abzug sei ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Nato den afghanischen Sicherheitskräften nicht mehr traue. Zudem werfe die Tat neue Fragen darüber auf, in welchem Ausmaß die Taliban die Behörden des Landes unterwandert haben und wie diese nach dem Abzug der internationalen Truppen für Sicherheit sorgen könnten. Eigentlich soll sich die Nato bereits im nächsten Jahr von dem Kampfeinsatz zurückziehen und zunehmend eine Beraterrolle übernehmen. Dies wird jedoch mehr Mitarbeiter in den Ministerien erfordern.

Die beiden aus nächster Nähe erschossenen US-Offiziere waren als Berater tätig und wurden tot in einem Zimmer in dem streng bewachten Innenministerium aufgefunden. Ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden erläuterte, dass der Täter offenbar über Zugang zu Bereichen mit höchster Sicherheitsstufe verfügte, da er Überwachungskameras und spezielle Schlösser passieren musste.

Die Vereinigten Staaten forderten von der Regierung in Kabul einen besseren Schutz der Nato-Truppen. Verteidigungsminister Leon Panetta sagte seinem afghanischen Kollegen Abdul Rahim Wardak in einem Telefonat, er erwarte entsprechende Maßnahmen. Wardak habe sich für den Vorfall entschuldigt und erklärt, Präsident Hamid Karsai habe führende Vertreter aus Religion, Politik und Justiz einbestellt, um dringende Schritte zur Eindämmung der Gewalt einzuleiten.

Neben den US-Soldaten wurden bei den anhaltenden Protesten in Afghanistan vier Afghanen von Sicherheitskräften erschossen. Dutzende seien verletzt worden, hieß es. Auch nach der offiziellen Entschuldigung durch US-Präsident Barack Obama für die "unabsichtliche" Verbrennung zogen Tausende Menschen in verschiedenen Landesteilen auf die Straßen, um ihrem Ärger über das Verhalten der US-Soldaten Luft zu machen.