Auch nach dem Besuch von Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Syrien ist ein Ende des Militäreinsatzes gegen die Opposition nicht in Sicht

Damaskus. Tausende Syrer empfingen den Gast aus Moskau mit Hoch-Rufen und Russland-Fahnen. Meter für Meter schob sich die Autokolonne von Außenminister Sergej Lawrow durch die enge Menschengasse auf den Straßen von Damaskus. "Danke, Russland", rief die euphorisierte Menge. Der Jubel - ob echt oder bestellt - gilt Moskaus Veto gegen die Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat am vergangenen Wochenende. Drei Tage später machte Moskaus Chef-Diplomat gestern Station bei Gewaltherrscher Baschar al-Assad, einem der besten Kunden russischer Waffenfabriken.

Auch danach ist ein Ende der seit Monaten anhaltenden blutigen Kämpfe zwischen den Truppen des Regimes und der Opposition nicht in Sicht. Statt den Präsidenten zum Rücktritt zu drängen, wie es die Opposition erhofft und gefordert hatte, zeigte Lawrow Verständnis für das Vorgehen von Assad und stützte ihn. "Jeder Führer in jedem Land sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein", sagte der Außenminister während des Treffens und fügte hinzu: "Sie sind sich Ihrer bewusst."

Assad habe bei dem Treffen seine Bereitschaft zur Beendigung der Gewalt im Land bekräftigt, meldeten russische Agenturen aus Damaskus. Syrien sei zudem bereit, eine neue Mission der Arabischen Liga mit deutlich mehr Beobachtern in das Land zu lassen, sagte Lawrow. Außerdem wolle Assad weiterhin ein Referendum über eine neue Verfassung zulassen. Ende Januar hatte die Arabische Liga den Einsatz ihrer Beobachter wegen der Eskalation der Gewalt bis auf Weiteres gestoppt. Eine neue Beobachtermission könne zu einer ernsthaften Stabilisierung der Lage führen, sagte Lawrow in Damakus.

Zudem wolle Russland seine separaten Gespräche mit Vertretern der syrischen Opposition fortsetzen und sei zur Zusammenarbeit mit den Beobachtern der Arabischen Liga bereit. "Es ist klar, dass die Anstrengungen zur Beendigung der Gewalt von einem Dialog mit allen politischen Kräften begleitet werden sollen", sagte Lawrow. Der staatlichen russischen Nachrichtenagentur ITAR-Tass zufolge betonte er aber auch die Notwendigkeit von Reformen, um "auf legitime Forderungen des Volkes einzugehen, das nach einem besseren Leben strebt". Aus Kreisen der syrischen Exil-Opposition hieß es dagegen: "Russland ist leider inzwischen Teil des Problems und kann daher nicht mehr Teil einer Lösung sein."

Die syrischen Streitkräfte setzten unterdessen ihre schweren Angriffe auf Wohnviertel in der Stadt Homs fort. Die Opposition berichtete auch gestern wieder von mehr als 30 Toten. Der Nachrichtensender al-Arabija strahlte Live-Aufnahmen aus der Hochburg der Assad-Gegner aus, auf denen der Einschlag von Granaten zu hören war.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, die Sicherheitskräfte verfolgten in Homs "bewaffnete Terrorgruppen". Am Montag hätten sie "Dutzende Terroristen" getötet. Sechs Angehörige der Sicherheitskräfte seien getötet worden. Seit Beginn der Proteste im März 2011 sollen in Syrien etwa 6000 Menschen ums Leben gekommen sein. Darunter sind nach Angaben des Uno-Kinderhilfswerks Unicef mehr als 400 Kinder. Hunderte weitere seien durch das gewaltsame Vorgehen des Assad-Regimes verletzt worden.

Nach der US-Regierung, die am Montag ihre Botschaft in Damaskus auf unbestimmte Zeit geschlossen und alle US-Bürger zur Ausreise aus Syrien aufgefordert hatte, riefen gestern nach Angaben aus Diplomatenkreisen Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Dänemark ihre Botschafter zurück. Al-Arabija berichtete, die arabischen Golfstaaten wollten dem Beispiel Tunesiens folgen und die Botschafter Syriens ausweisen. Tunesien hatte den syrischen Botschafter am Wochenende aus Protest gegen die Offensive in Homs zur unerwünschten Person erklärt.

Deutschland hat bereits seit dem1. Februar keine Botschaft mehr in Syrien. Die deutsche Vertretung in Damaskus arbeitet nur noch mit Minimalbesetzung. Angesichts des brutalen Vorgehens des Assad-Regimes will Außenminister Guido Westerwelle (FDP) vorerst keinen neuen deutschen Botschafter ernennen. Westerwelle sagte in Berlin: "Ich denke derzeit nicht darüber nach, diese Position neu zu besetzen." Der bisherige Botschafter in Damaskus, Andreas Reinicke, war Anfang des Monats zum europäischen Nahost-Sondergesandten ernannt worden. Bereits seit Anfang Dezember ist die Visa-Stelle der deutschen Botschaft in Damaskus für den Publikumsverkehr geschlossen.