In China muss Angela Merkel Wirtschaftsinteressen wahren und die Menschenrechte ansprechen

Berlin/Hamburg. In der globalen Wirtschaftskrise hat China sein Gewicht auf der Weltbühne stetig ausbauen können. Das starke Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft ist ein wichtiger Motor für die schwächelnde Weltkonjunktur. Die schuldengeplagten europäischen Staaten und die Architekten des Euro-Rettungsschirms buhlen um die Milliarden, die China in seinen weltgrößten Devisenreserven angehäuft hat. So wird auch Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag und Freitag in Peking nicht nur um Vertrauen in Europa, sondern auch um mehr chinesische Investitionen in Deutschland werben.

Im Rahmen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) und in den internationalen Finanzgremien ist China ebenfalls zum gewichtigen Gesprächspartner aufgestiegen. Der Chef-Ökonom der Weltbank ist ein Chinese, ebenso der Vizepräsident des internationalen Währungsfonds (IWF). Mit dem Zuwachs seiner Stimmrechte hat sich China zum drittstärksten Mitglied im Währungsfonds emporgeschwungen - nach den USA und Japan. Parallel wachsen die Abhängigkeiten. Als Entgegenkommen für seine "helfende Hand" wünschte sich China von den Europäern die Einstufung als Marktwirtschaft, was Schutz in Handelsstreitigkeiten böte. Gerne hätte Peking ferner eine Aufhebung des Waffenembargos. Die hoch verschuldeten USA stecken längst in einem Dilemma: China ist der größte ausländische Käufer amerikanischer Staatsanleihen. US-Außenministerin Hillary Clinton brachte es mit der Frage auf den Punkt: "Wie redest du Klartext mit deinem Banker?"

Auch Deutschlands Wohlergehen hängt zunehmend von China ab. Das bevölkerungsreichste Land der Erde ist zum zweitwichtigsten deutschen Handelspartner weltweit aufgestiegen. Die deutsche Wirtschaft hätte die Krise kaum so gut bewältigt, wenn die Exporte nach China nicht so rasant gestiegen wären. 2010 verkauften deutsche Exporteure 44 Prozent mehr Waren nach China. Das starke Wachstum hielt auch 2011 an - mit einem Plus von 22 Prozent schon in den ersten drei Quartalen.

Wie bei jeder Peking-Visite ist die Frage der Menschenrechte die heikelste. Umso mehr, als in Südwestchina erneut tibetische Aktivisten von Sicherheitskräften erschossen wurden. Die Unruhen der vergangenen Woche haben nach Angaben von Exil-Tibetern Dutzende Tote gefordert. Die deutsche Tibet-Initiative hat zum Start des Chinesischen Kulturjahres in Deutschland eine kritische Auseinandersetzung mit der Lage der Menschenrechte in China gefordert. "Ein öffentlicher Diskurs über Menschenrechtsverletzungen durch China darf auf den Veranstaltungen des Kulturjahres nicht unterbunden werden", erklärte die Initiative. Peking versuche, nach außen Weltoffenheit zu demonstrieren, während Andersdenkende unterdrückt und verfolgt würden. Bundesländer, Kommunen und die am Kulturjahr mitwirkenden Institutionen müssten darauf hinwirken, "dass China das Kulturjahr nicht als Propagandaplattform nutzt".