Die Arabische Liga zieht ihre Beobachter aus Syrien ab. Nun wartet alles auf Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates. Die Gewalt eskaliert weiter.

Beirut/Kairo/Amman. Syrien droht immer tiefer im Bürgerkrieg zu versinken. Die Arabische Liga zieht ihre Beobachter ab, währenddessen holten bewaffnete Regime-Gegner am Sonntag zu einem spektakulären Schlag aus und eroberten sogar Gebiete in der Provinz um die Hauptstadt Damaskus. Nach dem Abzug der Beobachter ist die Lage verfahrener denn je. Nun warten beide Seiten auf Reaktionen des UN-Sicherheitsrates. Der aber ist zerstritten und konnte sich bislang noch auf keinen gemeinsamen Nenner im Umgang mit der Krise in Syrien einigen.

Nach den anhaltenden Gewaltexzessen in weiten Teilen des Landes entschlossen die Staaten der Arabischen Liga am Wochenende, ihre Beobachter aus den Krisenherden abzuziehen. Sie kehren nun vorerst nach Damaskus zurück. Auf Seiten der syrischen Regierung zeigte man sich ob des Schrittes überrascht. Sie warf dem Liga-Generalsekretär Nabil al-Arabi vor, vor seinem Auftritt im UN-Sicherheitsrat am Montag den Druck für ein Eingreifen in Syrien erhöhen zu wollen. Außerdem ermutige der Abbruch der Mission die bewaffneten Gruppen im Land zu weiterer Gewalt.

Wie es aus dem Umfeld der etwa 100 Beobachter im Land hieß, hatten sich die Teams wegen der Fortdauer der Gewalt geweigert, weiterzuarbeiten. Die meisten Delegierten verließen demnach schon Freitag und Samstag nicht mehr ihre Hotels in Damaskus und warteten auf den Abzugsbeschluss. Der Leiter der Beobachtermission, Mohammed al-Dabi, beklagte eine dramatische Zuspitzung der Lage. In den drei Tagen vor der Entscheidung seien bei Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und Opposition mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen.

Die UN-Vetomacht Russland äußerte Unverständnis über den Schritt der Arabischen Liga. „Uns ist unklar, warum auf diese Weise mit einem so nützlichen Instrument umgegangen wird“, sagte Außenminister Sergej Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax. Äußerungen, die Mission habe nichts zustande gebracht, seien „verantwortungslos“.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) setzt auf eine klare Reaktion des UN-Gremiums. Vor seinem Aufbruch zu einer Nahost-Reise drang er auf eine schnelle Verabschiedung einer Resolution zu Syrien. Russland hat im Sicherheitsrat bisher jede Resolution verhindert, mit der das Regime von Assad zum Einlenken bewegt werden sollte.

Die Entsendung der Beobachter war bei Assads Gegnern von Anfang an umstritten. Der Einsatz verzögere ein internationales Eingreifen zum Schutz der Bevölkerung und könne die Gewalt nicht beenden, hieß es.

Neben Liga-Generalsekretär Al-Arabi will auch der Syrienbeauftragte der Organisation, Katars Regierungschef Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani, im UN-Sicherheitsrat zum Konflikt Stellung nehmen. Der Termin war schon vor der Unterbrechung des Einsatzes in Syrien geplant. Anschließend soll es am kommenden Sonntag ein neues Treffen der Arabischen Liga geben.

Der Syrische Nationalrat (SNC) will nach eigenen Angaben ebenfalls in New York vorsprechen und den Weltsicherheitsrat um Hilfe bitten. Die Opposition fordert seit geraumer Zeit eine Schutzzone für Aktivisten und syrische Deserteure an der türkischen Grenze.

Am Donnerstagabend hatte der Sicherheitsrat bereits über die Eskalation in Syrien beraten. In einem auf Vorstellungen der Arabischen Liga fußenden europäisch-arabischen Resolutionsentwurf werden politische Reformen und ein Ende der Gewalt gefordert. Russland ist mit dem Entwurf gegen seinen Verbündeten Syrien nicht zufrieden. Nach UN-Schätzungen wurden seit Beginn der Massenproteste in Syrien Mitte März mehr als 5600 Menschen getötet.

+++ Bericht: Syrische Rebellen halten sieben Iraner fest +++

In Syrien spitzt sich die Lage derweil weiter zu. Aus vielen Landesteilen wurden am Sonntag Gefechte gemeldet. Dutzende Soldaten kamen ums Leben. Zahlreiche Soldaten kündigten Assad die Treue auf. Nach Angaben der oppositionellen syrischen Muslimbruderschaft lief in der Provinz Damaskus-Land ein hochrangiger Offizier zusammen mit 300 Soldaten seiner Einheit zu den Regimegegnern über. Solche Angaben sind allerdings in dem abgeschotteten Land kaum zu überprüfen.

Deserteure aus der syrischen Armee griffen nach Angaben der Opposition mitten in Damaskus eine Zentrale des Geheimdienstes der syrischen Luftwaffe an. Fahnenflüchtige Soldaten sollen zudem über einige Gebiete der Unruheprovinz Homs die Kontrolle übernommen haben. Wie die Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtete, hatte es zuvor heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und fahnenflüchtigen Soldaten in der Stadt al-Rastan gegeben.

Die Rebellen haben anscheinend mehrere Iraner gefangen gesetzt. Der Vize-Chef der Armee der syrischen Deserteure, Malek al-Kurdi, sagte der arabischen Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ (Samstag), dass sieben Iraner in der Protesthochburg Homs festgenommen worden seien. Es handele sich um fünf Militärexperten und zwei Zivilisten. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna hatte am Donnerstag über eine Entführung von elf Pilgern in Syrien berichtet. Die syrische Opposition wirft dem Iran vor, Assads Regime im Kampf gegen die Demokratiebewegung zu unterstützen.

+++ Russland lehnt Syrien-Resolution ab +++

Westerwelle dringt in Jordanien auf Syrien-Resolution der UN

Zum Auftakt seiner Nahost-Reise hat Außenminister Guido Westerwelle den UN-Sicherheitsrat zur Einigkeit in der Syrien-Frage aufgerufen. „Wir brauchen ein starkes Signal für ein Ende der Gewalt und den Start eines Demokratisierungsprozesses“, sagte er am Sonntagabend in der jordanischen Hauptstadt Amman nach einem Treffen mit seinem Kollegen Nasser Dschudeh. Eine Resolution dürfe nicht länger gegen den Willen der Arabischen Liga blockiert werden. Mit seinem Appell richtete sich Westerwelle vor allem an die Veto-Macht Russland, die sich im Sicherheitsrat bisher gegen eine Resolution stemmt.

Die Arabische Liga hatte ihre Beobachtermission in Syrien am Samstag wegen zunehmender Gewalt abgebrochen. Nach UN-Schätzungen sind bei den dortigen Unruhen seit März 5600 Menschen ums Leben kommen.

Jordanien ist die erste Station einer fünftägigen Nahost-Reise Westerwelles. Am Montag reist er nach Ägypten weiter, anschließend geht es nach Israel und in die Palästinensergebiete. Im Mittelpunkt seiner Gespräche werden neben der Eskalation der Lage in Syrien, die stockenden Friedensbemühungen im Nahen Osten, der Atomstreit mit dem Iran und der Reformprozess ein Jahr nach Beginn des Arabischen Frühlings stehen.

In Amman rief Westerwelle die arabischen Staaten zu weiteren Reformbemühungen auf. Besorgt zeigte er sich über die Zuspitzung des Atomstreits mit dem Iran. „Das könnte auch die schwierigen Bemühungen, den Nahost-Friedensprozess wiederzubeleben, zusätzlich negativ beeinflussen.“ Israelis und Palästinenser hatten sich bei Vorgesprächen in Amman am Mittwoch zunächst nicht auf eine Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen verständigen können. Westerwelle wird von Dienstag bis Donnerstag Israel und die Palästinensergebiete besuchen.

Am Montag reist er zunächst nach Ägypten weiter. Dort will er sich ein Bild von der Lage ein Jahr nach Beginn der Protestbewegung machen, die im Februar 2011 zum Rücktritt von Präsident Husni Mubarak geführt hatte. Der Oberste Militärrat hatte damals die Macht übernommen und eine Übergangsregierung eingesetzt. Am vergangenen Montag trat das neu gewählte Parlament zusammen, in dem die islamisch-konservativen Muslimbrüder und die radikalen Islamisten mehr als zwei Drittel der Sitze innehaben.

Westerwelle will sich in Kairo mit Mitgliedern des Militärrats, der Übergangsregierung und verschiedener Parteien treffen. Zudem ist ein Gespräch mit Vertretern der Kopten – der christlichen Minderheit in Ägypten – geplant. Mit Material von dpa und dapd