Nach Angaben der tibetischen Exilregierung haben sich die Proteste auf einen weiteren Kreis ausgebreitet. Zwei Tibeter erschossen.

Peking/Berlin. Tibeter in China gehen wieder auf die Straßen, um zu protestieren. Nach unterschiedlichen Angaben sind seit dem Ausbruch der Proteste am Montag bis zu elfTibeter von chinesischen Sicherheitskräften erschossen worden. Zwei von ihnen seien am Dienstag im Kreis Seda mit Schüssen getötet worden, berichtete die exiltibetische Regierung am Mittwoch im indischen Dharamasala. Nach anderen Angaben könnte die Zahl der Toten noch höher sein. Die Proteste hatten in Südwestchina begonnen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung rief China zur Deeskalation auf.

+++Mönch zündet sich aus Protest gegen China selbst an+++

+++Dramatische Selbstverbrennungen in Tibet+++

Der exiltibetische Ministerpräsident Lobsang Sangay forderte die Weltgemeinschaft auf, in China zu intervenieren, „um weiteres Blutvergießen zu verhindern“. Die Unruhen in der von Tibetern bewohnten Präfektur Ganzi in der Provinz Sichuan haben sich demnach am Dienstag auf den Kreis Seda (tibetisch: Serthar) ausgebreitet. Bewohner berichteten dem US-Radiosender Radio Free Asia (RFA) telefonisch, möglicherweise seien sogar bis zu fünf Tibeter getötet worden. Rund 40 seien verletzt und ähnlich viele festgenommen worden. Die chinesischen Behörden bestätigten die neuen Zwischenfälle und die tödlichen Schüsse, sprachen aber nur von einem Toten. Aufrührer hätten eine Polizeistation angegriffen und Polizisten mit Benzinflaschen, Messern und Steinen attackiert, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua.

Die Proteste gegen die chinesische Herrschaft waren am Montag in Luhuo (tibetisch: Draggo oder Drango) ausgebrochen. Nach unterschiedlichen Angaben wurden zwischen drei und sechs Tibeter durch Schüsse getötet. Rund 30 seien verletzt worden. Die chinesische Regierung bestätigte nur einen Toten und neun Verletzte. Auch aus Meruma im benachbarten Kreis Aba (tibetisch: Ngaba) wurden am Montag Proteste gemeldet, die die Polizei mit Tränengas auflöste.

Die exiltibetische Regierung verurteilte die tödlichen Schüsse. Es sei höchste Zeit einzuschreiten, sagte Premier Lobsang Sangay laut einer Mitteilung aus Indien. Die Weltgemeinschaft dürfe sich nicht passiv verhalten. Der aufstrebenden wirtschaftlichen und politischen Macht China dürfe nicht erlaubt werden, „sich derart unmoralisch und gewalttätig zu benehmen“, sagte Lobnsang Sangay. „Ein Schweigen der internationalen Gemeinschaft sendet China die Botschaft, dass seine repressiven und gewaltsamen Maßnahmen im Umgang mit den Spannungen in den tibetischen Gebieten akzeptabel seien“, warnte der tibetische Regierungschef.

Nach den neuen Protesten wurde Anwohnerberichten zufolge praktisch der Ausnahmezustand über Seda verhängt. Geschäfte und Hotels hätten schließen müssen, zitierte Radio Free Asia. Die Lage sei sehr angespannt. „Tibeter müssen zuhause bleiben, während die chinesische Polizei auf jeden schießt, der sich auf die Straße wagt“, sagte ein Bewohner telefonisch dem US-Sender. Die Spannungen in der Präfektur hatten sich am Montag entladen, als die Behörden mehrere Tibeter festgenommen hatten. Hintergrund waren Flugblätter, auf denen neue Selbstverbrennungen angekündigt worden waren, falls die chinesischen Behörden die Sorgen der Tibeter nicht ernst nehmen sollten. Seit März vergangenen Jahres hat es 16 Selbstverbrennungen von Mönchen, Nonnen oder anderen Tibetern aus Protest gegen die chinesische Herrschaft gegeben.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rief zur Zurückhaltung auf und forderte die Entsendung internationaler Beobachter. „Die Situation in den tibetischen Regionen hat sich seit 2008 nicht verbessert, als die Spannungen in Gewalt umschlugen“, sagte Asien-Direktor Sam Zarifi. Die Klagen der Tibeter über die Einschränkung religiöser und politischer Freiheiten seien nur noch lauter geworden. Anstatt diese Probleme anzugehen, reagierten die chinesischen Behörden mit wachsender Unterdrückung. Amnesty sei besorgt über weitere Gewalt und Blutvergießen, sagte Zarifi.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hatte China zur Deeskalation aufgerufen. „Ich bin sehr besorgt über Berichte, dass bei Demonstrationen erneut Tibeter getötet und verwundet wurden“, erklärte Löning am Dienstag in Berlin. Friedliche Demonstrationen seien durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. „Ich fordere die chinesische Regierung auf, dieses Recht zu respektieren und aktiv zu schützen“, sagte Löning. Die Selbstverbrennungen in den vergangenen Monaten zeigten auf tragische Weise die Verzweiflung einiger Tibeter über ihre Situation.

Mit Material von dpa/dapd