Rund 67 Prozent der Bürger stimmen für EU-Beitritt. Aber geringe Beteiligung bei Volksabstimmung

Zagreb. Mit breiter Mehrheit haben sich die Kroaten in einer Volksabstimmung für einen Beitritt zur Europäischen Union (EU) ausgesprochen. Nach ersten Auszählungen stimmten 67,11 Prozent der Wähler für eine EU-Mitgliedschaft des Adria-Landes, teilte die Wahlkommission gestern am späten Abend in Zagreb mit. Kroatien will am 1. Juli 2013 das 28. Mitglied der Union werden. Dem Termin müssen allerdings noch die 27 Mitgliedsländer endgültig zustimmen.

Von den 4,5 Millionen Stimmberechtigten nahmen allerdings weniger als 50 Prozent an der Abstimmung teil. Der Wahlkommission zufolge hatten bis wenige Stunden vor Ende der Abstimmung nur knapp 34 Prozent der Stimmberechtigten ihr Kreuz gemacht.

Die Staats- und Regierungsspitze feierte am Sonntagabend im Parlament in Zagreb das Ergebnis der EU-Abstimmung. Das Referendum sei "ein historischer Tag für Kroatien", sagten die Spitzenpolitiker des Landes einhellig. Regierungschef Zoran Milanovic: "Die EU ist eine Chance für den Fortschritt und die Entwicklung aller kroatischen Talente." "Es freut mich, dass Europa mein Zuhause wird", sagte Staatspräsident Ivo Josipovic.

Obwohl praktisch alle Medien sowie Regierung und Opposition einhellig für ein Ja zur EU geworben hatten, konnten die EU-Gegner offensichtlich doch punkten und viele Bürger von der Abstimmung fernhalten. "Kroatien ignoriert das Referendum", titelte die Zeitung "Danas" in Zagreb. Kroatien werde ans Ausland verkauft und verliere seine Identität, hatte das Lager der radikalen Nationalisten seine Ablehnung begründet. Demgegenüber warb selbst das Idol der Extremisten für ein Ja zu Europa.

"Ich werde für die EU stimmen, weil wir zivilisatorisch da hingehören", kündigte der vom Uno-Kriegsverbrechertribunal angeklagte General Ante Gotovina am Wahltag aus seiner Gefängniszelle an. "Der Platz Kroatiens ist in der Europäischen Union", heißt es in einer über seine Anwälte verbreiteten Erklärung. Gotovina war Befehlshaber der "Operation Sturm", in deren Verlauf kroatische Armee-Einheiten 1995 die von ethnischen Serben kontrollierte Region Krajina eroberten. Er wurde im Dezember 2005 auf Teneriffa festgenommen und im April 2011 vom Haager Uno-Tribunal wegen Kriegsverbrechen zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine jahrelange Flucht hatte die Annäherung Kroatiens an die EU erheblich gefährdet.

Auch nach einem Beitritt Kroatiens zur EU dürfte die wirtschaftliche Lage des Landes zunächst angespannt bleiben. Alle Indikatoren, die die Euro-Krise auslösten, sind in Kroatien erreicht oder sogar schon überschritten, auch wenn die Verschuldung mit 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich geringer als die Griechenlands ist, die Arbeitslosigkeit nicht die Rekordwerte Spaniens und die Zinsen auf Staatsanleihen nicht die schwindelnden Höhen derer Italiens erreichen. Kroatiens Verschuldung liegt unter dem Durchschnitt der Euro-Länder, doch das Wachstum stagniert, Reformen werden ausgesetzt, ebenso wie die Investitionen in neue Technologien. Die Investoren kehren dem Land den Rücken. Bis zum EU-Beitritt muss zudem noch die Sanierung und Privatisierung der Werften unter Dach und Fach gebracht werden. Sollte sich die Konjunktur nicht beleben, wird Kroatien noch Jahrzehnte brauchen, um ein Euro-Land werden zu können.

Die kroatischen EU-Gegner verlangten gestern Abend mit Hinweis auf die niedrige Wahlbeteiligung eine Wiederholung des Referendums. Ein Sprecher: "Die Abstimmung war nicht legitim, weil nicht die Mehrheit des Volkes daran teilgenommen hat."