Furcht vor neuer Taliban-Propaganda gegen Nato-Truppen

Kabul/Washington. Die USA haben Afghanistan eine rasche Aufklärung der Umstände des Videos zugesagt, auf dem zu sehen ist, wie US-Marineinfanteristen auf getötete Taliban-Kämpfer urinieren. In einem Telefonat mit Präsident Hamid Karsai bezeichnete US-Verteidigungsminister Leon Panetta den Vorfall als bedauerlich. Panetta zufolge wurden das Korps der US-Marineinfanterie und der Chef der Afghanistan-Truppe Isaf mit der Untersuchung beauftragt. Vor Journalisten äußerte sich Panetta besorgt über die Auswirkungen des Videos. "Die Gefahr ist ganz offensichtlich, dass diese Art von Video auf vielfältige Weise missbraucht werden kann - nicht nur, um das zu hintertreiben, was wir in Afghanistan zu tun versuchen, sondern auch die Möglichkeiten einer Versöhnung." Bislang sollen zwei der vier auf dem Video gezeigten Marineinfanteristen identifiziert worden sein.

Nach einem mehr als zehnjährigen Krieg versuchen die USA und die afghanische Regierung, mit den Taliban Frieden zu schließen. So wollen die Taliban im Golfstaat Katar ein Verbindungsbüro eröffnen. Ein Unterhändler von US-Präsident Barack Obama soll am Wochenende in die Region reisen und unter anderem mit Präsident Karsai und Vertretern der Türkei, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate sprechen.

Die US-Streitkräfte waren bereits zuvor wegen einer Reihe von Vorfällen bei der afghanischen Bevölkerung in Misskredit geraten. So wurden auch in Afghanistan die Bilder aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib mit Entsetzen wahrgenommen: Auf den Fotos waren Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten zu sehen.

Experten sind aber keineswegs überzeugt, dass der Skandal ähnliche Ausmaße wie nach Abu Ghraib haben wird. Der frühere republikanische Sprecher des Verteidigungsausschusses im US-Senat, John Ullyot, sagte, die Misshandlungen in Abu Ghraib seien systematisch gewesen und von höheren Stellen gebilligt worden. Bei dem Fall in Afghanistan handele es um einen klaren Verstoß gegen Ausbildungsstandards. Der Medienwissenschaftler Steven Livingston von der George Washington University glaubt nicht, dass der Skandal in den USA noch größer wird. "Viele Amerikaner haben den Irak und Afghanistan längst vergessen."