Hamburg/Taipeh. Der offene Ausgang der Präsidentschaftswahlen am Sonnabend in Taiwan sorgt für eine angespannte Lage in Ostasien. Weil nicht klar ist, ob sich Ma Ying-jeou als Präsident des 23-Millionen-Volkes auf der demokratischen Insel im Chinesischen Meer im Amt halten kann, werden neue Konflikte mit Peking befürchtet. Nach dem Machthaberwechsel in Nordkorea würde dann ein weiterer Krisenherd in der Region drohen, fürchten Beobachter. Bei einem Erfolg von Mas Herausforderin Tsai Ing-wen von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) wären die Beziehungen zwischen dem international nicht anerkannten Inselstaat und der Volksrepublik erneut schwer belastet.

Denn die erste Frau, die Taiwans Präsidentin werden will, lehnt den chinafreundlichen Kurs von Ma ab. Taiwan hat gewaltige Summen auf dem Festland investiert, inzwischen dürfen Chinesen die Insel besuchen, auf die die Nationalchinesen 1949 vor Maos Truppen geflüchtet sind. Nach einer neuen Umfrage geht einem Drittel der Taiwaner die Öffnung gegenüber Festland-China zu schnell. Noch immer sind Raketen auf das Inselreich gerichtet, das seinerseits von den USA hochgerüstet wurde. Offensichtlich fehlt vielen Wählern außerdem das Gefühl, von der Annäherung auch wirtschaftlich profitiert zu haben. Ma hat Taiwan relativ geschickt durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise gesteuert. Doch das Wachstum des Hochtechnologielandes blieb hinter den Erwartungen zurück.

In der Fernsehdebatte vor der Wahl nannte Präsident Ma seine Herausforderin eine "Gefahr" für das Land. Sie spiele "russisches Roulette" mit der Zukunft Taiwans. Die 55 Jahre alte Jura-Professorin hatte den wichtigen Rat für die Beziehungen zum Festland geleitet. Sie beteuerte, keineswegs "chinafeindlich" zu sein. "Aber wir bestehen darauf, dass wir nicht unsere Souveränität für kurzfristige Vorteile opfern", hatte sie unterstrichen.