Weil die Koalition geplatzt ist und Neuwahlen unmöglich sind, ist das Land ohne Führung

Brüssel. Schon am vergangenen Donnerstag, nachdem Premier Yves Leterme den König um seine Entlassung gebeten hatte, gaben die Buchmacher keinen Cent mehr auf Belgiens Regierung. Fünf Tage Galgenfrist ließ Albert. II. trotzdem verstreichen in der Hoffnung, die zerstrittenen Koalitionäre könnten doch noch zueinanderfinden. Am Montagabend gab der Monarch auf und Letermes Rücktritt statt.

Das endgültige Auseinanderbrechen der Fünf-Parteien-Koalition verschafft jedoch niemandem Luft. Denn für welche Option sich der König auch entscheidet, beide sind keine Lösung. Noch einmal einen Rettungsversuch für die Regierungskoalition zu starten scheint vergebene Liebesmüh. Denn die flämischen Liberalen der VLD, die vergangene Woche durch ihren Austritt die neue Krise ausgelöst hatten, schließen eine Rückkehr kategorisch aus.

Also bliebe Albert. II. nur, Neuwahlen auszurufen, die bis Mitte Juni stattfinden müssten. Juristen geben aber zu bedenken, dass das Verfassungsgericht eine Wahlreform des umstrittenen Bezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV) zur Bedingung für die nächsten Wahlen gemacht hatte. Doch genau am Streit um BHV ist die Regierung Leterme zerbrochen. Müssten die Bürger trotzdem an die Urnen, könnte das Ergebnis verfassungsrechtlich angefochten werden. "Der König hat die Wahl zwischen Pest und Cholera", kommentiert "Le Soir".

Der Streit zwischen Flamen und Wallonen um den "gemischten" Wahlbezirk BHV währt seit Jahrzehnten. Da immer mehr Frankofone in das Brüsseler Umland ziehen, wollen die Flamen eine Teilung. Sie fürchten um den flämischen Charakter von BHV, weil die französisch sprechenden Bewohner dort ein Recht auf ihre Muttersprache in Schule und Verwaltung haben. Im angrenzenden Flandern hingegen ist Niederländisch die Amtssprache. Ende November war der ehemalige Premierminister Jean-Luc Dehaene beauftragt worden, einen Kompromiss zu finden. Doch er gab vor einer Woche auf. BHV scheint niemand lösen zu können.