Washington. US-Präsident Barack Obama macht Druck: In New York - dem Herzen der internationalen Finanzwelt - redete er gestern Wall-Street-Bankern ins Gewissen. Kurz vor entscheidenden Beratungen im Senat rief er die Lobbyisten auf, seine Finanzreform nicht zu Fall zu bringen. "Das Land ist durch die Verantwortungslosigkeit von Bankern und Politikern in die Krise gestürzt worden." Es sei nun wichtig, die Lehren aus der Krise zu ziehen. Dazu müsse die Branche ihre Opposition gegen die Reform aufgeben. Zugleich warnte Obama in seiner Grundsatzrede vor 700 Gästen, darunter auch hochrangige Manager der unter Betrugsverdacht stehenden Investmentbank Goldman Sachs mit Vorstandschef Lloyd Blankfein an der Spitze, vor einer Wiederholung der schweren Finanzkrise, die die Welt an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds gebracht habe. Die Demokraten müssen mindestens einen der 41 Republikaner im US-Senat auf ihre Seite ziehen, um die notwendige Mehrheit für die Reform zu erreichen.

Obama sagte weiter: "Ein freier Markt sollte nie heißen, dass man das Recht hat, alles zu nehmen, was man bekommen kann, auf welche Art auch immer man es bekommen kann."

Zu den Kernpunkten seiner Reform zählt, dass der Steuerzahler künftig nicht wieder mit Milliarden-Dollar-Zahlungen einspringen soll, um taumelnde Banken und Finanzhäuser zu retten. Es dürfe nicht mehr vorkommen, dass ein Finanzinstitut als "zu groß betrachtet wird, um zu scheitern". Zudem sollten die Geschäfte der Banken mit hochriskanten Papieren beschränkt und transparenter gemacht, Verbraucher vor windigen Bankendeals geschützt werden.

Außerdem will Obama, dass Aktionäre bei der Bezahlung von Bank-Bossen und bei der Höhe von Boni ein Wort mitzureden haben. Mit Blick auf gigantische Bonuszahlungen in der Vergangenheit sprach er von "perversen Anreizen" zu besonders riskanten Geschäften. Diese Anreize hätten mit in die Krise geführt. "Das muss sich ändern." Eindringlich warnte Obama vor "wütenden Anstrengungen" der Lobbys, bei den parlamentarischen Beratungen ihre Eigeninteressen durchzusetzen.

Die Finanzreform gilt - neben der Gesundheitsreform - als das wichtigste innenpolitische Vorhaben Obamas. Nach der Verabschiedung im Repräsentantenhaus stehen nun die Beratungen im Senat an. Der Gesetzentwurf sieht neben mehr Verbraucherschutz eine zusätzliche Rolle für die US-Notenbank vor. Unter anderem wollen die Demokraten die Einrichtung einer Verbraucherschutzbehörde unter dem Dach der Fed, die den fairen Umgang mit Hypotheken- und Kreditkartenkunden überwachen soll. Während die Demokraten im Repräsentantenhaus eine klare Mehrheit haben, ist es im Senat schwieriger. Dort verfügen sie nicht über die "strategische Mehrheit" von 60 Stimmen, um eine mögliche Blockade der Republikaner zu brechen.