Warschau. Die Polen haben auch gestern lange Wartezeiten in Kauf genommen, um von Präsident Lech Kaczynski und seiner Frau Abschied zu nehmen. Die Menschen standen bis zu 13 Stunden in der Schlange vor dem Präsidentenpalast, in dem die Särge der beiden aufgebahrt waren. Hunderte Polen kamen auch zum Flughafen von Warschau, wo eine Militärmaschine mit dem Sarg von Ryszard Kaczorowski eintraf, dem früheren Führer der polnischen Exilregierung zu Zeiten des Kommunismus. Kaczorowski gehörte wie Präsident Kaczynski zu den 96 Menschen an Bord der polnischen Maschine, die am Sonnabend in Russland abstürzte. Sie waren auf dem Weg zu den Feiern für die Opfer des Massakers von Katyn, wo vor 70 Jahren Tausende polnische Offiziere von Stalins Geheimpolizei getötet wurden.

Der Streit um den Beisetzungsort Kaczynskis und seiner Frau Maria droht unterdessen zur Schlammschlacht auszuarten. In der Kritik steht dabei der angesehenste Bischof des Landes, der ehemalige Papstsekretär und heutige Kardinal Stanislaw Dziwisz. Er billigte die Bestattung der Kaczynskis neben den Nationalhelden in der symbolträchtigsten Kirche des Landes, der Kathedrale des Krakauer Königsschlosses Wawel.

2000 Menschen protestierten am Mittwochabend vor dem Bischofssitz im südpolnischen Krakau gegen die Entscheidung. Am Tag zuvor waren es 500 Demonstranten. Auch in Warschau und fünf weiteren Großstädten gingen jeweils Dutzende Menschen auf die Straße. Sie empfinden das Begräbnis in der Krypta der Wawel-Kathedrale als anmaßend.

Die Anhänger der dortigen Beisetzung des Präsidentenpaares halten dagegen. 700 Menschen versammelten sich mit Transparenten ("Wir danken dem Kardinal") zu einer Art Gegendemonstration in Krakau. Die Tageszeitung "Dziennik" brachte die Lage mit der Titel-Schlagzeile "Innerpolnischer Krieg um den Wawel" auf den Punkt.

Es ist ein politischer Streit. Etliche Polen vermuten, der konservative Oppositionsführer und Zwillingsbruder des toten Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski, wolle mit der Beisetzung in der Wawel-Kathedrale aus der Tragödie Kapital für die anstehenden Präsidentenwahlen schlagen. Denn eine Bestattung dort ist die höchste Ehre für einen Polen. Hier wurden jahrhundertelang die Könige in ihr Amt eingeführt und beigesetzt. In der Krypta ruhen aber etwa auch der Nationaldichter Adam Mickiewicz und natürlich Heilige der katholischen Kirche.