Washington ist Gastgeber der größten Konferenz auf US-Boden seit Gründung der UNO. Der US-Präsident hat 47 Staats- und Parteichefs in die US-Hauptstadt eingeladen. Kreml-Chef Medwedew befürchtet einen Atomkrieg, falls Israel den Iran angreifen sollte.

Washington. Die atomare Gefahr ist das Thema, aber zu Beginn des Nuklear-Sicherheitsgipfels dominierte in Washington die Sorge vor einer Kernschmelze der Verkehrsinfrastruktur. Die hermetische Abriegelung der Innenstadt lasse die Inaugurationsfeier des gastgebenden Präsidenten Barack Obama im Januar 2009 "wie einen Kindergeburtstag aussehen", sagte ein Sprecher des US-Automobilclubs AAA. Allerdings hat es eine derartige Mammutveranstaltung von 47 Staats- und Parteichefs auf amerikanischem Boden auch seit der Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen 1945 in San Francisco nicht mehr gegeben. Rund um das Walter E. Washington Convention Center, einen 210 000 Quadratmeter-Bau am Mount Vernon Square, kam gestern der Berufsverkehr nahezu zum Erliegen.

Obamas überwölbendes außenpolitisches Thema ist die Abschaffung der Atomwaffen im globalen Maßstab. Die Konferenz, an der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnimmt, setzt bescheidenere Ziele. Nuklearwaffenfähiges Plutonium und hochangereichertes Uran sollen weltweit vor Schmuggel und Verkauf an Drittstaaten und Terroristen gesichert werden. "Die größte Bedrohung für die Sicherheit Amerikas, sowohl kurzfristig als auch mittel- und langfristig, wäre es, wenn eine Terrororganisation sich eine Atombombe besorgen könnte", warnte Obama am Vorabend der Veranstaltung. Al-Qaida sei bemüht, "sich eine nukleare Waffe zu verschaffen - und sie würden eine Massenvernichtungswaffe ohne Gewissensbisse einsetzen".

Dagegen setzte Obama den Optimismus, mit dem sich jede Konferenz zum Auftakt schmückt. Er habe ein "gutes Gefühl angesichts der Einsatzbereitschaft und des Gefühls für die Dringlichkeit, die ich bislang von den Führern der Welt gesehen habe", sagte der Präsident. Darum sei er überzeugt, dass wir "enormen Fortschritt in dieser Frage machen können".

Um eine Vision aufzupolieren, muss man mitunter störende Fakten ignorieren. Der Stillstand etwa in den Nahost-Friedensgesprächen ließ sich leicht in den Hintergrund drängen, weil die Aufregung über die vor Tagen übermittelte Absage des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu weitgehend verraucht ist. Israel, offiziöse Atommacht in der Region und damit - mutmaßlich - Mitglied im Klub der neun Nuklearwaffenstaaten, ließ sich durch Vizepremierminister Dan Meridor vertreten.

Schwieriger war der Umgang mit einem neuen Wettrüsten, das sich zwischen den traditionellen Erzfeinden Indien und Pakistan abzeichnet. Washington hatte in der Bush-Zeit eine Vereinbarung mit Indien über die Lieferung von Nukleartechnologie getroffen. Pakistan muss deshalb derzeit zum einen seine vorhandenen Atombestände vor einem Zugriff durch muslimische Terroristen schützen. Zum anderen baut Islamabad neue Nuklearreaktoren zur Produktion einer "zweiten Generation" von Nuklearwaffen. In bilateralen Gesprächen, zunächst mit dem indischen Premier Manmohan Singh und später mit dessen pakistanischem Amtskollegen Jussuf Raza Gilani, bemühte sich Obama um eine Einhegung des neuen Wettrüstens in Südasien. Der Erfolg blieb aus.

Größeres Einvernehmen ist mit Angela Merkel zu erwarten. Sie wird Obama heute nach der Abschlusspressekonferenz treffen. So viel Zeit hat der Präsident nur für wenige Gäste. "Deutschland ist erkennbar einer von Amerikas engsten Verbündeten", erklärte Ben Rhodes, Obamas stellvertretender Sicherheitsberater diese Vorzugsbehandlung. "Und Kanzlerin Merkel war eine der engsten Partnerinnen des Präsidenten bei einer Reihe von Themen der Sicherheit und der Wirtschaft."

Merkel setzte sich für rasche verschärfte Sanktionen der Weltgemeinschaft gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm ein. "Die Zeit drängt. Die Entscheidung über mögliche Sanktionen wird sehr bald zu fällen sein", sagte die Kanzlerin. Merkel will außer Obama auch Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew und Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao treffen. Russland und China lehnen bisher neue Sanktionen gegen den Iran ab. Und Kremlchef Medwedew hat noch vor Beginn der Konferenz vor einem israelischen Militärschlag gegen den Iran und einem folgenden Atomkrieg gewarnt. Bei einem solchen Angriff würden alle Staaten des Nahen Ostens in den Konflikt verwickelt. "Dann können Sie nichts ausschließen, auch nicht den Einsatz von Atomwaffen", sagte der russische Präsident in einem Interview mit dem US-Sender ABC News.