Budapest. Bei den Parlamentswahlen in Ungarn hat die konservative Fidesz-Partei die absolute Mehrheit errungen, die in der zweiten Runde am 25. April sogar zu einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit im Parlament werden könnte. Schon jetzt konnte die Partei mit 52,7 Prozent der Stimmen 206 der insgesamt 386 Mandate erringen. Die bisher regierenden Sozialisten verloren nach endlosen Korruptionsskandalen die Hälfte ihrer Wähler und rutschten auf 19 Prozent ab. Dahinter schafften zwei Neulinge den Einzug ins Parlament: die radikal-nationalistische Jobbik, die gegen "Zigeuner" und "Ausländer" zu Felde zieht (17 Prozent), und die alternativ-ökologische LMP (7,5 Prozent).

Jobbik, die Senkrechtstarter vom rechten Rand des Parteienspektrums, sind bereits viel einflussreicher, als ihre 17 Prozent es verraten. Manche ihrer Kernforderungen fanden Eingang sowohl ins Fidesz-Programm als auch in die Politik der bisher regierenden Sozialisten. Eine härtere Linie gegenüber der EU und der sogenannten "Zigeunerkriminalität" gehört zu diesen Forderungen . Jobbik will den EU-Beitrittsvertrag "überprüfen", Fidesz verwendet ähnliche Vokabeln, nur klingt es dort nicht gleich nach totaler Ablehnung Europas.

Eine Parteimiliz der Jobbik, die sogenannte "ungarische Garde" marschiert durch Ungarns Dörfer, um der "Zigeunerkriminalität" Einhalt zu gebieten. Darüber ist viel geschrieben und gesagt worden, von Rassismus und Faschismus ist die Rede - tatsächlich haben sogar die Sozialisten erkannt, dass viele Bürger in den östlichen Provinzen die "Garde" gut finden, weil sie sich von Polizei und Gerichten im Stich gelassen fühlen. Die Sozialisten haben das Erfolgsrezept kopiert. "Siedlungswächter" patrouillieren durch die Problemviertel der Stadt Szolnok. Das Ergebnis war im letzten Jahr eine Verringerung der Kriminalität in der Stadt um 20 Prozent. Auch Fidesz hat angekündigt, für Recht und Ordnung sorgen zu wollen, 3000 neue Polizisten sollen eingestellt, neue Polizeiwachen geschaffen werden - ein klares Echo der Forderungen von Jobbik.

Eine regionale Analyse zeigt ein zerrissenes Land. Überall im Osten sind die Rechtsradikalen die zweitstärkste Kraft, hinter Fidesz. Im Westen steht Jobbik auf dem dritten Platz, und im weltoffenen Budapest weit abgeschlagen an vierter Stelle.

Im Osten ist Jobbik deswegen so stark, weil in den Dörfern die eine Hälfte der Einwohner - aus der Minderheit der Roma - nicht arbeitet; teilweise weil sie zu 90 Prozent nach der achten Klasse die Schule verlassen, teilweise weil sie nicht arbeiten wollen, und teilweise weil sie gerade deswegen keine Jobs bekommen, weil sie eben Roma sind. Jobbik ist eigentlich eine Bauernpartei, aber sie zieht auch ideologisch rechtsextreme Kreise in den Städten an. Die Bauern fürchten westliche Agrarinvestoren, sie leiden unter der Kleinkriminalität der Roma, und auch die EU empfindet man als schädlich: Viele Fabriken wurden nach der Wende von europäischen Investoren gekauft, nur um sie zu schließen und danach die eigenen Produkte anzubieten. Fidesz will nun alle Probleme lösen - eine kleinere Regierung und Bürokratie, die Hälfte aller regionalen und lokalen Ratsmandate sollen abgeschafft, das Parlament verkleinert werden. Steuersenkungen sollen Arbeitsplätze schaffen, westliche Großinvestoren nicht mehr steuerlich privilegiert werden. Das soll ungarische Unternehmen und Produkte stärken.

Der von Jobbik stets zitierten "Zigeunerkriminalität" will Fidesz mit harter Hand begegnen: Wer zum dritten Mal wegen einer Gewalttat verurteilt wird, soll automatisch lebenslänglich hinter Gitter. Aber der Spielraum ist eng, auf Ungarn liegt eine enorme Schuldenlast. Und Fidesz ist nicht so stark, wie es aussieht. Viele stimmten nur aus Angst vor Jobbik für die Konservativen, auch die meisten Roma. "Ich stehe vor der schwersten Aufgabe meines Lebens", so Fidesz-Chef Viktor Orbán am Wahlabend.