Moskau. Im Wald von Katyn haben Russlands Premier Wladimir Putin und sein polnischer Amtskollege Donald Tusk gestern der mehr als 20 000 polnischen Opfer des Massakers gedacht, das Angehörige des russischen Innenministeriums auf Befehl von Stalin vor 70 Jahren angerichtet hatten. Putin ist der erste russische Spitzenpolitiker, der die Gedenkstätte von Katyn besucht und dazu einen polnischen Regierungschef eingeladen hat.

Beide Politiker legten am Mahnmal für die ermordeten polnischen Offiziere und Intellektuellen Kränze nieder. Danach reichten sich Tusk und Putin in einer historischen Versöhnungsgeste die Hand. Die Regierungschefs suchten anschließend den Teil der Gedenkstätte auf, wo russische Opfer des Stalinismus begraben liegen, die vor allem in Jahren des großen Terrors 1937/38 ermordet worden waren.

Der Name des Ortes Katyn steht indes als Synonym für die Ermordung polnischer Offiziere und Zivilisten im Frühjahr 1940 an verschiedenen Orten in der damaligen Sowjetunion. Die sowjetische Führung hatte bis zum Ende der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts behauptet, die Massenmorde seien von deutschen Truppen verübt worden. Doch schon 1943 während der deutschen Besetzung von Teilen der Sowjetunion hatte eine internationale Kommission, darunter zahlreiche Polen, viele Leichen exhumiert und das berüchtigte NKWD (Nationalkomitee für innere Angelegenheit) des Lawrenti Berija als Schuldige benannt.

Gestern in Katyn rief der russische Regierungschef dazu auf, dieses Verbrechen nicht zu vergessen. Es müsse vielmehr im Gedächtnis bewahrt werden, "so bitter diese Wahrheit auch immer sein mag". Putin räumte ein, dass jahrzehntelang versucht worden sei, mit einer "zynischen Lüge die Wahrheit über die Erschießungen von Katyn zu verbergen". Es wäre aber eine ebenso große Lüge, wollte man jetzt die Schuld für die Verbrechen dem russischen Volk anlasten. Gleichzeitig fand er erstmals eindeutige Worte für das Stalin-Regime. "Diese Verbrechen können in keiner Weise gerechtfertigt werden", sagte er und versicherte, die Verurteilung des totalitären Regimes in Russland unterliege keiner Revision. Noch im Dezember vergangenen Jahres hatte allerdings Putin selbst sich geweigert, die Herrschaft des Diktators Stalin eindeutig als negativ zu bewerten. Schließlich habe er das Agrarland Russland in einen Industriestaat verwandelt, sein Name sei mit dem Sieg über Hitlerdeutschland verbunden, auch wenn seine Vorgehensweise nicht zu billigen sei, hatte Putin gesagt.