Berlin. Es ist eine Sensation: 70 Jahre nach dem Massaker von Katyn werden Polen und Russland am Mittwoch gemeinsam der 20 000 polnischen Opfer gedenken, die im April 1940 von sowjetischen Truppen ermordet wurden.

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hat seinen polnischen Amtskollegen Donald Tusk in das 20 Kilometer westlich von Smolensk gelegene Dorf eingeladen, er selbst wird erstmals an der Gedenkfeier teilnehmen. In Warschau wird die Einladung als historisch gewertet. Außenminister Radoslaw Sikorski bezeichnete sie als "weiteren Schritt zur polnisch-russischen Versöhnung".

Aber auch in Berlin stößt der bevorstehende Akt auf Anerkennung. "Das Zusammentreffen hat hohen symbolischen Wert", sagte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Koordinatorin für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Cornelia Pieper (FDP), dem Abendblatt. "Es ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur europäischen Aussöhnung. Die polnische Bereitschaft, die Hand der Versöhnung zu ergreifen, verdient hohen Respekt."

Katyn steht für die längste Lüge des Zweiten Weltkriegs. In Katyn wurden Tausende polnische Offiziere, Reservisten, Grenzbeamte und Polizisten vom sowjetischen Geheimdienst NKWD liquidiert, die von der Roten Armee gefangen genommen wurden, nachdem diese Ostpolen besetzt hatte. Stalin selbst segnete im März 1940 den Massenmord ab, der am 3. April begann. Als deutsche Wehrmachtssoldaten die Massengräber im Februar 1943 entdeckten, machte das nationalsozialistische Regime den Fund zu einem wesentlichen Element seiner Propaganda gegen die Sowjetunion. Im Gegenzug behaupteten die sowjetischen Medien, die polnischen Gefangenen seien von den Deutschen ermordet worden. Moskau wiederholte diese Lüge 50 Jahre lang, und die Angehörigen der Opfer mussten sie ertragen. Erst Michail Gorbatschow gestand die sowjetische Verantwortung für das Massaker offiziell ein und übergab entsprechende Dokumente an Warschau.

Dennoch kommt die Aufarbeitung des Kriegsverbrechens nur schleppend voran. Ranghohe russische Politiker behaupten bis heute, das Massaker sei nicht von der Sowjetunion begangen worden. 2004 stellte die Militärstaatsanwaltschaft die in den 1990er-Jahren begonnenen Ermittlungen mit der Begründung ein, die Straftaten seien verjährt.