Belgrad/Berlin. Mit einer Entschuldigung für die Ermordung von rund 8000 bosnischen Muslimen in Srebrenica 1995 hat das Parlament in Belgrad das jahrelange Schweigen der serbischen Politik zu dem Massaker gebrochen. In einer Resolution wird die Gräueltat "auf das Schärfste" verurteilt. Nach 13-stündiger Debatte stimmte das Parlament am frühen Mittwochmorgen der Resolution zu. Der von der pro-europäischen Regierung von Ministerpräsident Boris Tadic eingebrachte Text wurde mit den Stimmen von 127 der 173 anwesenden Abgeordneten verabschiedet. Das Parlament entschuldigt sich darin bei den Familien der Opfer dafür, dass Belgrad seinerzeit nicht genug unternommen habe, um das Verbrechen zu verhindern. Als Völkermord wird die während des Bosnienkrieges (1992-1995) begangene Gräueltat jedoch nicht bezeichnet, was der Einstufung durch das Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag entsprechen würde; jedoch verweist der Text auf ein entsprechendes Urteil des Uno-Tribunals.

Im Juli 1995 waren bosnisch-serbische Milizen in die damalige Uno-Schutzzone Srebrenica einmarschiert und hatten, an den leicht bewaffneten niederländischen Blauhelmsoldaten vorbei, rund 8000 Muslime - vorwiegend Männer und Jungen - verschleppt und getötet. Der mutmaßliche Hauptverantwortliche, der frühere bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic, ist noch immer untergetaucht.

Das Parlament sagt außerdem eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Uno-Kriegsverbrechertribunal zu und hebt die Bedeutung einer Festnahme Mladics hervor. Die EU macht Fortschritte Serbiens im Beitrittsprozess von den Bemühungen bei der Fahndung nach Mladic und der Kooperation mit dem Haager Tribunal abhängig. Serbien will im kommenden Jahr den Status eines Beitrittskandidaten erreichen.

EU-Außenministerin Catherine Ashton bezeichnete die Resolution als "wichtigen Schritt nach vorn". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte, die Resolution sei ein "mutiger erster Schritt der serbischen Politik, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen".

Hinterbliebene der Opfer des Massakers kritisierten, dass die Resolution nicht das Wort "Völkermord" enthalte. Damit "bedeutet das für uns wirklich nichts", sagte Hajra Catic, Vorsitzende einer Hinterbliebenenvereinigung. Besser hätten die Parlamentarier ganz auf die Verabschiedung verzichtet, sagte Catic, die ihren Mann und einen Sohn in dem Massaker verlor. Auch Sabra Kolenovic von der Organisation Mütter von Srebrenica lehnte die Resolution unter Verweis auf das Völkermord-Urteil des Uno-Tribunals als "bedeutungslos" ab. Belgrad spiele ein "politisches Spiel".

Die Opposition kritisierte, dass der Text der gesamten serbischen Bevölkerung die Schuld an dem Massaker gebe. Für einige Anhänger der Regierungskoalition ging die Entschuldigung indes nicht weit genug. Ein Abgeordneter sagte, die Resolution ebne den Weg zu einer Aufarbeitung der Geschichte. Die bislang angesprochenen Themen seien nur "die Spitze des Eisbergs der Vergangenheit, der wir uns stellen müssen". Serbische Menschenrechtler begrüßten die Resolution als "Zeichen für Belgrads Entschlossenheit, auf dem europäischen Weg weiterzugehen".