Berlin. Griechenland hat 300 Milliarden Euro Schulden, das entspricht einem Staatsdefizit von 12,7 Prozent. Erlaubt sind in der EU drei Prozent. Am Donnerstag einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel in Brüssel deshalb auf einen Notfallplan. Er sieht eine kombinierte Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euro-Länder vor. Abgesehen davon muss Griechenland bis Ende Mai etwa 16 Milliarden Euro aufnehmen. Der anstehende Verkauf einer Anleihe wird als erster Test für das Vertrauen der Investoren gewertet, nachdem die EU ihren Rettungsschirm über Griechenland aufgespannt hat. Anfang März hatte Athen mit einer ersten Anleihe fünf Milliarden Euro eingesammelt.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke ist Berichterstatter für Griechenland im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags. Der CDU-Politiker ist seit Freitag in Athen, wo er unter anderem mit dem griechischen Parlamentspräsidenten Filippos Petsalnikos zusammentraf.

Hamburger Abendblatt:

Herr Klimke, wie ist die Stimmung in der griechischen Hauptstadt, nachdem die EU unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Hilfsaktion für Griechenland gestartet hat?

Jürgen Klimke:

Ambivalent. Man schwankt zwischen dem Stolz auf die eigene Geschichte und dem Minderwertigkeitskomplex, der sich daraus ergibt, der Buhmann der EU zu sein und sich mit massiven Korruptions- und Versagensvorwürfen konfrontiert zu sehen.

Gilt das auch für die Parlamentarier, mit denen Sie sprechen?

Ja.

Haben die Griechen denn immer noch nicht begriffen, dass der drohende Staatsbankrott hausgemacht ist? Dass sie nur deshalb Mitglied der Währungsunion sind, weil die Vorgänger-Regierung Brüssel nach Strich und Faden belogen hat?

Die politisch Verantwortlichen wissen inzwischen genau, was die Uhr geschlagen hat. Aber die Bürger spüren die Folgen des Staatsbankrotts noch nicht. In Athen sehe ich Autos herumfahren, die ich in Hamburg nicht sehe, in den Häfen liegen die schönsten Yachten, und die Restaurants sind nach wie vor voll.

Das klingt nicht so, als ob die Griechen den Gürtel schon enger schnallen müssten ...

Nein, danach sieht es hier nicht aus.

Warum sagt Staatspräsident Papandreou seinen Bürgern nicht in aller Klarheit, wie katastrophal es um das Land steht?

Griechenland hat im Dezember 2008 schwere Krawalle erlebt. Damals haben die Jungen der Staatsmacht Straßenschlachten geliefert, weil sie keine Perspektiven für sich sahen. Es gibt die Angst, dass sich das wiederholen könnte.

Was halten Ihre griechischen Gesprächspartner von der Option, den Internationalen Währungsfonds um Hilfe zu bitten?

Wenig. Bis zum Donnerstag hat man darauf gesetzt, dass Länder wie Portugal oder Spanien, die selbst in Schwierigkeiten sind, einer solchen Entscheidung nicht zustimmen würden. Athen geht davon aus, dass der Druck auf Griechenland noch einmal steigt, wenn der Internationale Währungsfonds tatsächlich eingeschaltet wird.

Petros Christodoulou, der Chef der griechischen Schuldenverwaltung, will vor Ablauf des Monats eine zweite Staatsanleihe in Höhe von fünf Milliarden Euro ausgeben und plant für April eine dritte Tranche. Wie kommt das bei Ihren politischen Gesprächspartnern an?

Es bestärkt sie in ihrer Hoffnung, dass Griechenland es doch noch aus eigener Kraft schaffen kann.

Und wie wirkt es auf die Bürger?

Es vermittelt ihnen das Gefühl, dass ihre Regierung handelt.

Wie würden Sie die Stimmung in Athen zusammenfassen?

Es ist ein bisschen wie auf der "Titanic": Vorne ist die Katastrophe schon im Gange, aber hinten wird noch munter getanzt.