Mit allen Mitteln versucht der Geheimdienst FSB missliebige Oppositionelle zu diskreditieren.

Moskau. Versteckte Kameras, gefälschte Videos, Politiker, Journalisten, schöne Frauen und Kokain - man könnte glauben, es handele sich um einen Spionageroman aus der Zeit des Kalten Krieges. Doch weit gefehlt. Dies sind die Ingredienzien für einen ganz in der heutigen russischen Realität angesiedelten Skandal, der die Reputation von Menschen beschädigen soll, die der Staatsmacht gegenüber kritisch eingestellt sind. "Die Staatsmacht hat der Opposition den Krieg der kompromittierenden Materialien erklärt", beschreibt der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin die Situation in seinem Blog.

Jaschin wurde zusammen mit dem kremlkritischen Politologen Dmitri Oreschkin und dem Chefredakteur von "Russki Newsweek" (Herausgeber Axel Springer Russia), Michail Fischman, heimlich in einem Milizfahrzeug gefilmt, als sie angeblich versuchten, die Ordnungshüter zu bestechen. Die Betroffenen sagten übereinstimmend, die Videos seien gefälscht. Dann tauchte ein weiteres Video auf, das Fischman in einer Privatwohnung zeigt, wie er ein weißes Pulver inhaliert. Von einem daneben sitzenden Mädchen sind in der jetzigen Fassung nur die nackten Beine zu sehen.

Auch wenn dieses Video echt sein sollte, der dreiste Bruch russischer Gesetze - privater Kokaingebrauch ist in Russland nicht strafbar - und das illegale Eindringen in die Privatsphäre rief jetzt Fischmans Kollegen auf den Plan. Die Chefredakteure der wichtigsten Moskauer Zeitungen, Zeitschriften und der Chef des Rundfunksenders Echo Moskwy stellten sich in einer gemeinsam mit dem Journalistenverband der russischen Hauptstadt verfassten Erklärung hinter Fischman. Diese Situation sei "nicht hinnehmbar für unser Land, in dem die Verfassung die Freiheit des Wortes und der Presse und die Unberührbarkeit des Privatlebens garantiert".

Wie gut die gesamte Affäre organisiert worden war, geht aus den Ausführungen von Ilja Jaschin hervor, der anhand des Fischman-Videos unerwartete Zusammenhänge herstellen konnte. "Ich habe sofort die Wohnung erkannt, in der das alles vor sich geht - das Sofa, das Parkett, den Sessel", schrieb er in seinem Blog und bekannte: "Ich war auch dort, und zwar unter ähnlichen Umständen."

Obwohl das Gesicht des Mädchens, das neben Fischman zu sehen ist, verdeckt wurde, ist Jaschin sich sicher, dass das nackte weibliche Bein zu Katja G. gehört, die als Model in der Agentur Progress tätig ist und sich Mumu nennen lässt. Und die mit den russischen Geheimdiensten kooperiert.

Der ledige Jaschin berichtete ganz unbefangen von seiner Begegnung mit Katja, bei der auch deren Freundin Nastja Tsch., Spitzname Tschuks, mit von der Partie gewesen sei. Tschuks sei es auch gewesen, die bei einer anderen Gelegenheit versucht habe, den stellvertretenden Chefredakteur der kritischen Zeitschrift "New Times" "vorzuführen" - erfolglos.

Der Einsatz von jungen Mädchen für diese Zwecke erinnert fatal an die "Nachtschwalben" seinerzeit in den Interhotels der DDR, die sich für die Staatssicherheit Erich Mielkes an interessante westliche Ausländer heranmachten.

Nur eine einzige Organisation, so schlussfolgert Roman Dobrochotow, komme für derlei Dinge infrage, "ihr Name ist FSB". Die Abkürzung steht für den Föderalen Sicherheitsdienst, den russischen Inlandsgeheimdienst, dem einst auch der heutige Premier Wladimir Putin vorstand.

Vertreter des Geheimdienstes FSB sind heute in allen Bereichen der russischen Gesellschaft - in der Politik, in der Regierung, der Präsidentenadministration und in der Wirtschaft - auf verantwortlichen Posten zu finden. Sie haben die tatsächliche Macht im Staate. Ihre Methoden indes sind die alten geblieben.