London. Staatsschulden schnellen nach oben, das Haushaltsdefizit steigt. Die Wirtschaft müht sich ab, die Rezession hinter sich zu lassen. Die Politik spricht von Ausgabenkürzungen und höheren Steuern. Die Gewerkschaften sind gereizt. Der Wert der Währung sinkt. Nein, die Rede ist hier nicht von Griechenland. Es geht um Großbritannien.

Das Vereinigte Königreich häuft die Schulden noch schneller an als das derzeitige Krisenland Nummer eins in Europa. Dies zeigt, dass Europas Probleme weit über die traditionell strukturschwachen Regionen Südeuropas hinausgehen. Im Gegensatz zu den fast bankrotten Griechen haben die Briten aber zwei wichtige Vorteile auf ihrer Seite: Sie haben ihre eigene Währung. Und sie genießen bei den internationalen Ratingagenturen hohes Ansehen.

Verkompliziert wird die Situation allerdings von der bevorstehenden Unterhauswahl, die wahrscheinlich am 6. Mai abgehalten wird. Erwartet wird, dass eine Koalition oder eine Minderheitsregierung notwendig wird. Damit dürfte die Durchsetzung harter, unpopulärer Sanierungsmaßnahmen schwierig werden.

Die britischen Schulden wachsen derweil in alarmierendem Tempo weiter. Allein im Januar lieh sich die Regierung 4,3 Milliarden Pfund (4,7 Milliarden Euro). Wirtschaftsexperten warnen, dass sich das Land auf dem besten Weg befindet, im Jahr 2009/2010 ein Defizit von 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzuhäufen. Das wäre sogar etwas mehr als das prognostizierte 12,7-Prozent-Defizit im krisengeschüttelten Griechenland und mehr als doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt (sechs Prozent). Die britische Gesamtverschuldung wird in diesem Jahr schätzungsweise auf 82 Prozent des BIP steigen. Das ist fast doppelt so viel wie vor zwei Jahren, aber weitaus weniger als die 123 Prozent in Griechenland.

Das riesige britische Defizit ist zu einem großen Teil auf die Unsummen zurückzuführen, die die Regierung zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise ausgegeben hat. Der Staat hat zwei ins Schlingern geratene Hypothekenfinanzierer übernommen und hält Mehrheiten an der Royal Bank of Scotland und der Lloyds Banking Group. 200 Milliarden Pfund hat die Bank of England in die Finanzmärkte gepumpt.

Die Zinsen britischer Staatsanleihen sind stark gestiegen und gehören jetzt zu den höchsten in Europa. Im Gegenzug verliert das Pfund gegenüber dem Dollar ständig an Wert. Erhielt man zu Jahresbeginn noch 1,61 Dollar für ein Pfund, so sind es jetzt nur noch etwa 1,49 Dollar.

"Das britische Haushaltsdefizit ist zwar besorgniserregend hoch, aber noch kontrollierbar", erklärt Richard Lambert, Generaldirektor des Britischen Industrieverbands. "Die Regierung muss aber jetzt handeln, um einen glaubhaften Weg aufzuzeigen, wie die Bilanzen in Ordnung gebracht werden sollen."