Hamburg/Jerusalem. Die Entsendung eines Vizepräsidenten in den Nahen Osten ist seit Jahrzehnten ein Signal an die Region, dass es die US-Regierung ernst meint mit ihrem politischen Engagement. Doch der Reise von Joe Biden nach Israel kommt besonderes Gewicht zu.

Zum einen, weil Biden von manchen Washingtoner Polit-Analysten bereits jetzt als zweitmächtigster Vizepräsident der US-Geschichte gehandelt wird - nach seinem Amtsvorgänger Dick Cheney. Biden ist zwar eine Art amerikanischer Edmund Stoiber - US-Fernsehhumoristen lieben seine Versprecher -, aber er ist als außenpolitischer und Nahost-Experte einer der wichtigsten und engsten Berater von Barack Obama.

Zum anderem, weil der Präsident, dem die Israelis in Umfragen vorwerfen, er interessiere sich zu wenig für sie, die nahöstliche Eiszeit - die vor fast 15 Monaten ausbrach, als Israel eine Militäroffensive im Gazastreifen begann - möglichst rasch beenden will. Amerikanischer Druck führte jetzt dazu, dass sich beide Seiten zumindest bereit erklärten, über den US-Vermittler George Mitchell einen indirekten Dialog zur Wiederbelebung des Friedensprozesses aufzunehmen. Das direkte Gespräch lehnte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ab - Israel akzeptierte seine Vorbedingung eines Siedlungs-Baustopps im Westjordanland nicht. Abbas bezeichnete die jetzt anvisierten Gespräche als "letzte Chance".

Zähneknirschend werden Biden und Obama zur Kenntnis genommen haben, dass Israels Regierung kurz vor Bidens Ankunft den Neubau von 112 Wohnungen im Westjordanland und kurz danach weiterer 1600 in Ost-Jerusalem genehmigte. Im November hatten die USA Israel noch zu einem zehnmonatigen, teilweisen Baustopp gezwungen. Die Genehmigung der neuen Bauten sollte offenbar eine vorauseilende Beschwichtigungsgeste an die Rechten in der Koalitionsregierung von Premierminister Benjamin Netanjahu sein - und zugleich ein Signal an die US-Regierung, dass man nicht alles akzeptieren werde.

Arabische Liga und PLO hatten den Gesprächen zugestimmt.

Im Auftrag Obamas will Biden die hartleibige Regierung Netanjahu für Kompromisse und damit direkte Gespräche gewinnen. Mit seinem legendären zahnreichen Lächeln sicherte er Netanjahu zunächst einmal die volle Unterstützung der USA in Sachen Sicherheit zu. Das "uneingeschränkte, vollständige und unverblümte Bekenntnis" zur Sicherheit des jüdischen Staates sei der "Eckpfeiler" der Beziehungen, versicherte der Vizepräsident. Da passe kein Blatt Papier zwischen Israel und die USA. Dieses vollmundige Bekenntnis bezog sich vorrangig auf die mögliche Bedrohung durch ein iranisches Atom- und Raketenprogramm. "Die USA werden immer an der Seite derer stehen, die für den Frieden Risiken eingehen", sagte Biden dann listig zu Netanjahu. Damit liegt der Ball in dessen Feld.