19 Millionen Menschen waren aufgerufen, 325 Abgeordnete zu wählen. 38 Menschen wurden getötet.

Kirkuk/Bagdad. Der Eifer, mit dem Iraker wählen gehen, steckt an. Wie ein Fest wird der Wahltag im nordirakischen, kurdisch dominierten Kirkuk gefeiert. Die Kurdinnen erscheinen in bunten Tüllkleidern, glitzernd mit Pailletten bestickt. Turkmenen und Araber kommen in langen Gewändern. Ein Vater hat auf dem Handwagen, mit dem er sonst auf den Markt fährt, seine Frau und seine drei Kinder geladen und schiebt ihn zum Wahllokal. Alte und Gebrechliche werden in Kinderwagen zum Wählen gefahren.

Auch in Kirkuk herrscht Fahrverbot am Wahltag, wie fast überall im Irak. Nur im Zentrum der Hauptstadt Bagdad haben die Behörden es überraschend gelockert. Privat-Pkw könnten dort wieder fahren, teilte ein Sprecher der Sicherheitskräfte mit. Busse und Lastwagen dürften aber weiterhin nicht auf die Straßen. Der Sprecher nannte keinen Grund für die Teilaufhebung des Fahrverbots, mit dem Autobomben-Attentate auf Wahllokale verhindert werden sollten.

Anders als im Rest des Landes öffnen die Wahlzentren in Kirkuk schon um sieben Uhr morgens. Überall sonst eine Stunde später. Als Wahlbeobachter muss man noch früher aufstehen. Eine Stunde vor Öffnung der Wahllokale werden bereits die Vorbereitungen getroffen. Die Tische werden aufgebaut, Wahlzettel, Namenslisten und Fingertinte zurechtgelegt. Zum Schluss werden die Urnen hereingebracht und versiegelt. Erfahrungsgemäß ist die Stunde vor Wahlbeginn und die letzte Stunde vor Schließung der Wahllokale die sensibelste. Die meisten Fälschungen geschehen dann - und die meisten Anschläge.

Die irakischen Behörden können inzwischen auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückblicken. Die gestrige war bereits die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz des irakischen Gewaltherrschers Saddam Hussein vor fast sieben Jahren. Außerdem organisierten die Behörden unter Anleitung der Vereinten Nationen ein Referendum über die neue Verfassung sowie Kommunalwahlen, von denen Kirkuk im vorvergangenen Januar allerdings ausgeschlossen geblieben war.

Umso bewusster und würdiger ist die Wahl jetzt für die 1,4 Millionen Einwohner der Ölstadt im Norden, 250 Kilometer von Bagdad entfernt. Und nicht nur das: Die Wahl soll nicht nur 13 Abgeordnete in der Bagdader Nationalversammlung bestimmen, sondern auch Aufschluss über die demografische Struktur der Stadt, über das Kräfteverhältnis der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen geben. Die Kurden behaupten, sie stellten die Mehrheit der Bewohner der ölreichen Großstadt. Turkmenen und Araber behaupten dagegen, ihre beiden Bevölkerungsgruppen zusammengenommen seien gegenüber den Kurden in der Mehrheit.

Die 12 000 noch in Kirkuk verbliebenen Christen sitzen zwischen allen Stühlen. Für die Zukunft Kirkuks ist die Zusammensetzung der Bewohner von entscheidender Bedeutung, denn es wird vehement darum gestritten, wer die Verwaltungshoheit über diese wirtschaftlich so wichtige und lukrative Stadt übernehmen soll. In anderen Landesteilen war die Wahl als Härtetest für Sicherheit und Demokratie im Irak gewertet worden. In mehreren Städten explodierten in der Nähe von Wahllokalen Raketen und Sprengsätze. 38 Menschen wurden getötet. Fast 19 Millionen Bürger waren aufgerufen, 325 Abgeordnete zu wählen. Damit entschieden sie auch über die Regierung, die nach dem bis Ende 2011 geplanten Abzug der US-Truppen für Stabilität sorgen soll. Ergebnisse werden Mitte der Woche erwartet.