Brüssel. Die Länder der EU wollen ihre Wirtschaftspolitik angesichts der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise künftig besser untereinander abstimmen. "Wir sind mehr denn je voneinander abhängig. Darum brauchen wir auch die Koordinierung mehr denn je", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso bei der Präsentation seiner Vorschläge für die europäische Wachstumsstrategie "Europa 2020".

Wie weit die Koordinierung in Wirtschaftsfragen gehen soll, ist allerdings zwischen den 27 Mitgliedsländern stark umstritten. Ebenso unklar ist, welche Gremien die Abstimmung leisten sollen. Während Kanzlerin Angela Merkel regelmäßige Gespräche auf der Ebene der Regierungschefs für ausreichend hält, fordern Frankreich, Luxemburg, aber auch die EU-Kommission konkrete langfristige Absprachen und deren Überwachung durch die Europäer. Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, verlangt sogar eine abgestimmte Lohnpolitik innerhalb Europas.

Hintergrund dieser Forderungen ist, die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit in allen EU-Ländern zu vereinheitlichen. Bisher ist die Entwicklung gegenläufig: Die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit, die sich vor allem in der Entwicklung der Lohnstückkosten ausdrückt, sind innerhalb der EU in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Die hohen Lohnstückkosten in Griechenland gelten beispielsweise als wichtige Ursache für die Wachstumsschwäche und hohe Verschuldung Griechenlands.

Die EU-Kommission will jetzt gegensteuern. In seinem Zehn-Jahres-Plan für eine gemeinsame Wachstumsstrategie schlägt Barroso eine Reihe konkreter Wirtschaftsziele vor: Die Forschungsaufgaben sollen auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden, die Beschäftigungsquote auf 75 Prozent steigen, die Quote der Schulabbrecher auf unter zehn Prozent sinken und die Zahl armer Menschen von derzeit 80 auf 60 Millionen Menschen fallen. Sanktionen für Länder, die diese Ziele nicht erreichen, soll es aber nicht geben.

Die EU-Kommission will die Probleme in einzelnen Ländern aber klar benennen und "Verwarnungen" aussprechen. In Berlin ist Barrosos Plan umstritten. Merkel befürchtet, dass der Euro-Stabilitätspakt unter die Räder kommen könnte, wenn die Kontrolle der Haushaltspolitik mit der neuen EU-Wachstumsstrategie verknüpft wird. Sie fordert, die Überwachung des Pakts weiterhin den Finanzministern zu überlassen.

Barroso sagte dagegen, es ginge nur um eine zeitliche Abstimmung beider Prozesse, damit die Regierungschefs ein Gesamtbild der Lage bekämen. Die Verfahren blieben klar getrennt.

Barrosos Strategie "Europa 2020" soll im März beim Treffen der europäischen Regierungschefs in Brüssel verabschiedet werden. Im Juni sollen dann nationale Pläne zur Umsetzung folgen. Die deutsche Wirtschaft begrüßte die Brüsseler Pläne. Barroso ziehe die richtigen Schlüsse aus der Wirtschaftskrise, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf.