Radikale Muslime gingen nach dem Muster trotzkistischer Gruppen vor und verfügten bereits über Einfluss.

Hamburg/London. Gerade hatten neue Umfragen der von politischen Tiefschlägen gebeutelten britischen Labour-Partei des glücklosen Premiers Gordon Brown neue Hoffnung vermittelt - die Partei erreicht 35 Prozent und zieht damit fast mit den Konservativen (37 Prozent) gleich -, da schlägt Umwelt- und Landwirtschaftsminister Jim Fitzpatrick Alarm.

Die Labour-Partei, so sagte Fitzpatrick gegenüber der Sonntagsausgabe des "Daily Telegraph", sei von einer Organisation radikaler Islamisten unterwandert worden. Das Islamische Forum für Europa (IFE), das für den Dschihad, den bewaffneten Kampf im Namen des Islam, wie auch für die Einführung des islamischen Rechtssystems der Scharia in Großbritannien eintrete, habe bereits Sympathisanten in Wahlämtern platziert und sei in der Lage, massenweise Wähler zu mobilisieren, sagte der Labour-Minister. Die Organisation strebe die Schaffung von Gottesstaaten in Europa an. Sie bilde bereits Geheimparteien nicht nur innerhalb von Labour, sondern auch anderer britischer Parteien.

"Sie gehen fast wie entristische Organisationen vor, platzieren Leute innerhalb von politischen Parteien, rekrutieren Mitglieder für diese Parteien und versuchen, diese Individuen wählen zu lassen, sodass sie politischen Einfluss und Macht ausüben können, sei es auf lokaler oder nationaler Ebene", sagte Fitzpatrick. Der Begriff des Entrismus als politische Taktik stammt aus den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Er bezeichnete das Eindringen von kommunistischen, namentlich trotzkistischen Gruppen in etablierte Parteien der Arbeiterbewegung, um deren politischen Kurs maßgeblich zu verändern.

Fitzpatricks Äußerungen decken sich mit Erkenntnissen des "Daily Telegraph" und des privaten britischen Fernsehsenders Channel 4. Die beiden Medien hatten mit verdeckt arbeitenden Reportern sechs Monate lang in der IFE recherchiert. Danach brüstete sich IFE, dass es bereits beträchtliche Macht in einem Londoner Stadtrat etabliert habe. IFE-Führer haben sich den Ermittlungen nach gegen die Demokratie und für die Einführung der Scharia ausgesprochen. Die Organisation habe Treffen mit Extremisten veranstaltet - darunter Verbündete der Taliban -, zudem mit einem Mann, der von den USA im Zusammenhang mit dem Anschlag von 1993 auf das World Trade Center als "Mitverschwörer" gewertet wird, sowie mit einem weiteren Mann, dessen mögliche Verbindungen zu den Attentaten vom 11. September 2001 das FBI untersucht. Zudem hätten gemäßigte Muslime eingeräumt, dass IFE-Hardliner ihre Ansichten der Glaubensgemeinschaft aufzwängen. An die Gruppe seien mehr als zehn Millionen Pfund an Steuergeldern geflossen - vieles davon aus Regierungstöpfen zur Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus.

Fitzpatrick sagte, IFE habe seine Partei in Ost-London "infiltriert und korrumpiert" - den Medien zugespielte Labour-Listen zeigten in einem Wahlkreis eine Zunahme der Mitglieder um 110 Prozent in zwei Jahren.

Der 57-jährige Schotte Fitzpatrick, ein früherer, für seine Verdienste ausgezeichneter Feuerwehrmann, sitzt seit 1997 im Londoner Unterhaus und ist seit Juni 2009 Minister.

Im August 2009 verließ er als Gast die Hochzeit eines muslimischen Paares in seinem Wahlkreis, nachdem ihm mitgeteilt worden war, Frauen müssten getrennt von den Männern feiern. Die Idee der Einführung der Scharia in Großbritannien ist nicht so aus der Luft gegriffen, wie das zunächst klingen mag. Im Februar 2008 hatte der einflussreiche Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, die Einführung der Scharia gefordert, um Fälle nach moslemischem Zivilrecht zu regeln. Danach hatte Großbritanniens oberster Richter, Lord Philipps of Worth Matravers, geäußert, es müsse britischen Muslimen möglich sein, nach der Scharia zu leben.

Inzwischen haben sich in mehreren Städten Großbritanniens, darunter auch in London, Scharia-Gerichte etabliert, die - mit Rückendeckung britischer Gerichte - Zivilrechtsfälle regeln. Dabei geht es auch um das Schlagen von Frauen.