Hamburg/London. Die englische Boulevardpresse ist gnadenlos. "The Prime Monster" nennt die Zeitung "The Sun" ihren Premierminister Gordon Brown von der Labour-Partei. Noch härter attackiert der konservative Internet-Blog "Conservative Home" den Regierungschef: Eine Montage zeigt acht Männer mit geschwollenen Augen und Narben. "Ich habe nie Labour gewählt. Aber ich habe für Gordon Brown gearbeitet", steht zynisch darunter.

Für die Gegner von Gordon Brown sind die Enthüllungen aus dem Buch des Journalisten Andrew Rawnsley gefundenes Fressen - wenige Monate vor der Parlamentswahl im Frühjahr. Und für den Premier ist es ein weiterer Tiefschlag für sein Image. Brown soll eine Sekretärin aus dem Stuhl gezerrt haben, weil sie angeblich nicht schnell genug tippte. Einen anderen Mitarbeiter, der einen Empfang für EU-Botschafter organisieren wollte, soll der Premier geschubst und angeschrien haben. Warum er denn "diese verdammten Leute" treffen müsse. Dann wieder habe Brown einen Mitarbeiter am Kragen gepackt und beschimpft.

Brown weist die Vorwürfe zurück, von denen einige schon vor Wochen öffentlich wurden. "Wenn ich wütend werde, dann bin ich es vor allem über mich selbst", sagte der 59 Jahre alte Brown dem Sender Channel 4. Noch nie habe er in seinem Leben jemanden geschlagen. Doch auch die Chefin eines Sorgentelefons behauptet, dass sich Angestellte aus der Downing Street über den Chef beschwert hätten. Beweise hatte sie allerdings keine. Zudem wird die Hotline von einem Politiker der Opposition unterstützt.

"Bisher sehe ich die Angriffe gegen Brown auch als Signale für den beginnenden Wahlkampf", sagt Bernd Becker, Fellow des Großbritannien-Instituts in Berlin. 1999 arbeitete das SPD-Mitglied drei Monate in der Downing Street. "Brown gilt als bärbeißiger und autokratischer Chef. Er ist sehr ehrgeizig und fordert seinen Mitarbeitern vieles ab. Für viele Briten sind die Nachrichten über Browns Wutausbruch also nichts Überraschendes", sagt Becker. Sollte er aber gegenüber Mitarbeitern handgreiflich geworden sein, wäre es für Brown mehr als nur ein Image-Skandal, so Becker.

Ein Image, über das Großbritannien erst kürzlich nach einem TV-Auftritt seines Premiers diskutierte. Unter Tränen erzählte er vom Tod seiner behindert geborenen Tochter. Von der Zeitung "Times" musste er sich politisches Kalkül vorwerfen lassen. Jetzt steht Brown erneut unter Beschuss. Der Journalist Rawnsley arbeitet bei der linksliberalen Zeitung "The Observer". Eine seiner Quellen ist Kabinettsstaatssekretär Sir Gus O'Donnell. Parteifreunde springen Brown bei. Er sei zwar "fordernd", "emotional" und habe einen Hang zur Ungeduld - er tyrannisiere aber die Mitarbeiter nicht, sagte Wirtschaftsminister Peter Mandelson.

Nach den neuen Schlagzeilen hat Brown allen Grund, wütend zu sein. Gerade erst lag seine Partei in Umfragen nur noch sechs Prozentpunkte hinter den Konservativen. Im vergangenen Jahr waren es bis zu 20 Punkte.