Hamburg. Seit der Finanzkrise hat sich die Entwicklung zu einer multipolaren Welt noch weiter beschleunigt. Dem relativen Machtverlust der USA stehe der Aufstieg von Staaten wie China, Indien, Brasilien, Indonesien oder Südafrika gegenüber, sagte der japanische Botschafter in Deutschland, Dr. Takahiro Shinyo. Der 60-Jährige, seit 2008 Tokios Mann in Berlin, sprach mit dem Abendblatt in Hamburg, wo er einen Vortrag an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr hielt.

"Wir müssen auf die veränderte Konstellation gut vorbereitet sein", fordert der Diplomat. Wird es in Zukunft eher zu einem "Chimerica" oder zu einer Konfrontation der alten mit der neuen Supermacht kommen? "Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die sogenannten G2 eng kooperieren würden. Bislang überwog die Zusammenarbeit, aber jetzt sehen wir bereits die Anfänge einer eher problematischen Beziehung. Im Englischen gibt es dafür den Begriff der ,vier T': Trade (Handel), Technology , Taiwan und Tibet. Wir hoffen natürlich auf Dialog - aber es gibt genügend Bereiche, wo sich die beiden Giganten reiben könnten." Für China sei es enorm wichtig, sowohl Militär- als auch Wirtschaftsmacht zu sein. Noch sei allerdings unsicher, ob China auch bereit sein wird, eine globale Verantwortung zu übernehmen. "Bisher hat Peking in dieser Hinsicht eher eine Vermeidungspolitik betrieben", sagte Shinyo. Er ist jedoch davon überzeugt, dass China letztlich an einem Dialog interessiert sei. "China braucht ein friedliches Umfeld zur Entwicklung seiner Wirtschaft".

Tokio sei daran interessiert, eine sowohl ökonomische wie politische Stabilität herzustellen; vor allem sei es aber eine politische Mission Japans, eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen. Dabei arbeiteten Japan und Deutschland etwa in der Uno eng zusammen. Wichtig sei allerdings eine Reform des Uno-Sicherheitsrats. "G20 und ähnliche Gremien sind nicht genug - wir müssen auch auf der weltpolitischen Bühne die Nachkriegsordnung verändern." Japan strebt dabei einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat an. Für eine Aufrüstung Japans - sowohl konventionell als auch atomar - gebe es aber keinen Grund. "Wie Deutschland auch, haben wir nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg begriffen, dass man nicht aufrüsten muss, um eine verantwortungsvolle Rolle in der Welt zu übernehmen."